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Fensterschürzen in der Region

Augen auf!

Dieser Fassadenschmuck – Brüstungsfelder mit sogenannten Fensterschürzen – ist eine Besonderheit in Bayreuth Stadt und an Bauernhäusern im Bayreuther Umland.

Eine Übersicht unserer Fensterschürzen, finden Sie weiter unten auf dieser Seite. Klicken Sie mit der Maus auf eins der Bilder und erfahren Sie mehr dazu.

Barocke Sandsteinbauten aus der Markgrafenzeit lieferten Vorbilder, und zwar sowohl Schlösser wie Kirchen wie Adelspalais und Bürgerbauten in der Stadt – vorwiegend aus der Blütezeit der Bauprojekte von Markgraf Friedrich 1748 bis 1763. Nach seinem Tod kam die Baufreude zum Erliegen. Der Nachfolge-Markgraf Friedrich Christian (1763-1769) musste den Schuldenberg abbauen und entließ viele Künstler, so dass auch Steinmetzen und Maurer nach Potsdam oder sonst in die Fremde abwanderten. Ein größeres markgräfliches Bauprojekt, bei dem Fassadenschmuck eine Rolle spielte, war dann erst wieder – gezwungenermaßen – der Wiederaufbau von Weidenberg nach dem großen Brand 1770. Markgraf Carl Alexander (1769-1791), der die Region von Ansbach aus verwaltete und in Bayreuth und Himmelkron Nebensitze hatte, kam persönlich und beauftragte das fürstliche Bauamt unter Hofarchitekt Johann Gottlieb Riedel (1722-1791, ab 1771 Bauinspektor) mit dem gründlichen Wiederaufbau der dortigen Amts- und Bürgerhäuser in Sandsteinquaderbau. Zur vorbildlichen Barockfassaden-Gliederung kamen nun die klassizistisch-barocken Fensterschürzen in größerer Vielfalt als Schmuckelemente.

Bis auch die Bauern im Umland etwas wohlhabender wurden und sich Sandsteinhäuser leisten konnten, durch die sie auch ein neues Selbstbewusstsein zum Ausdruck brachten, bedurfte es der preußischen Reformen und der Friedenszeiten nach den napoleonischen Kriegen unter der Herrschaft der bayerischen Könige. Denn erst ab kurz vor 1800 bis 1860 lässt sich eine größere Formenvielfalt auch in der Fassadengestaltung bäuerlicher Sandsteinbauten beobachten und dabei fallen vor allem die sogenannten Fensterschürzen auf. Man suchte sich die Vorbilder nach wie vor in der markgräflichen Baukultur, in Bayreuth oder Weidenberg. In den wenigen sesshaft gebliebenen Steinmetz- und Maurerfamilien war diese Kunst noch lebendig geblieben.

Zu den tektonisch-klaren Fensterschürzen-Motiven der Barockzeit kommen jetzt zunehmend Motive nach dem Geschmack der Landbevölkerung, die auch der Garten- sowie der textilen bürgerlichen Wohn- und Fensterkultur entnommen werden. Hierbei sind viele originelle und auch einmalige Einfälle zu entdecken. Einen besonderen Blickfang bildet der Bauernhof in Dreschenau von 1847, wo sich der (unbekannte) Steinmetzmeister unter jedem Fenster mit einem anderen, insgesamt mit 20 verschiedenen Motiven verewigt hat. Die Vorliebe für diese Besonderheit setzt sich bis in den Jugendstil fort, wofür es dann wieder aus Bayreuth interessante Beispiele gibt. Spezielles Augenmerk verdienen übrigens auch Türstürze oder Schmuckpforten, Segenssprüche und Zunftwappen im Quadersandstein.

Nach jahrelanger Arbeit haben Fritz Angerer und Richard Zühlcke zum „Phänomen Fensterschürzen“ unter diesem Titel schon 1995 einen sorgfältig recherchierten (leider vergriffenen) Band in der Schriftenreihe des Landratsamts Bayreuth herausgegeben. Mehr als 200 (schwarz-weiß-)Abbildungen und eine Karte, auf die wir hier zum Teil auch zurückgreifen, weisen auf die „5-Minuten-vor-12-Situation“ hin, sind also auch Mahnruf, alte Bauernhäuser zu erhalten. Auch wenn ein Teil der Gebäude in den örtlichen Denkmallisten verzeichnet ist, eine systematische Bestandsaufnahme und Inventarisierung fehlt.

Um diesen Impuls nicht in Vergessenheit geraten zu lassen und die öffentliche Aufmerksamkeit auf dieses „Alleinstellungsmerkmal“ in unserer ländlichen Baukultur zu lenken, wurde im November 2011 der Verein Rettet die Fachwerk- und Sandsteinhäuser gegründet. Er hat bislang durch mehrere Fotoausstellungen, Fotokalender, Medienarbeit, Vorträge und Vorort-Besichtigungen sowie Beratungen die Öffentlichkeit dafür sensibiliert.                    http://www.rettetdiefachwerk-undsandsteinhaeuser.de/

Text & Fotos: Karla Fohrbeck

LITERATUR ZUM THEMA FENSTERSCHÜRZEN
  • Angerer Fritz: Die bäuerlichen Sandsteinbauten des Bayreuther Umlandes und ihre Fassadengestaltung, in: Schönere Heimat – Erbe und Auftrag, Heft 3/ 1987, Seite 129 (Herausgeber: Bayerischer Landesverein für Heimatpflege e.V.)
  • Angerer, Fritz & Zühlcke, Richard: Phänomen Fensterschürzen (Schriftenreihe des Landkreises Bayreuth, Band 9) Bayreuth 1995
  • Gebessler, August: Stadt und Landkreis Bayreuth. Deutscher Kunstverlag München 1959
  • Habermann, Sylvia und Coler, Peter: Alte Bayreuther Fassaden. edition boltz.1983.

Bayreuth, Jean-Paul-Straße 3-5 (um 1750)

Dreschenau (1847)

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Fensterschürzen in Bayreuth Stadt und Umland

Stand 1995, Angerer, Fritz & Zühlcke, Richard: Phänomen Fensterschürzen (Schriftenreihe des Landkreises Bayreuth, Band 9)