ENTDECKE
MARKGRAFENKIRCHEN
Evangelisch-Reformierte Kirche Bayreuth
Unter markgräflicher Patronage
Seit 1755/56 ist das prominente Barockgebäude in der viel befahrenen Erlanger Str. 29 Sitz der Reformierten Kirche.
In der ehemaligen Pfarrwohnung wurden 1975 auch das Büro und verschiedene Gemeinderäume eingerichtet. Im idyllischen Pfarrgarten auf der Rückseite gehört schon seit 1970 der Integrative Montessori Kindergarten zum Gemeindezentrum – eine der ersten Einrichtungen in Bayern, in denen integrativ gearbeitet wurde.
Im Alten Forsthaus Oberwaiz (Gemeinde Eckersdorf) verwaltet die Gemeinde außerdem ein Freizeit- und Tagungsheim der Evang.-Reformierten Kirche in Bayern (mit Garten, Sportplatz und Scheune), das vielfältig genutzt wird – auch von anderen Gruppierungen.
Mit den klassischen Markgrafenkirchen kann die Gemeinde also nicht konkurrieren. Und dennoch nimmt sie gerade in der toleranten Religions- und Kirchenpolitik der Bayreuther Markgrafen seit bald 340 Jahren eine Sonderstellung ein. Es lohnt, ihr nachzugehen, zumal die Reformierte Gemeinde im Juli 2023 hier in die Erlanger Str. 29 zum 52. Deutschen Hugenottentag einladen durfte.
Das Hugenotten-Kreuz
Die evangelisch-reformierte Kirchengemeinde Bayreuth wurde von evangelischen Glaubensflüchtlingen aus Frankreich gegründet. Seit 1522/23 hatten sich diese französischen Protestanten den Schweizer Reformatoren Ulrich Zwingli (Zürich) und Johannes Calvin (Genf) angeschlossen und ab 1562 grausame „Hugenottenkriege“ erdulden müssen. In der Nacht zum 24. August 1572 (Bartholomäusnacht) ermordeten Katholiken auf Befehl des französischen Hofes alle Protestanten in Paris und einige Tage später auch in anderen Städten des Königreichs Frankreich. Erst 1598 wurden diese Religionskriege durch das Toleranzedikt von Nantes von König Heinrich IV beendet. Die reformierten Protestanten wurden ab da im katholischen Frankreich geduldet, blieben aber Bürger 2. Klasse und die Repressalien nahmen trotzdem wieder zu.
1685 hatte der Sonnenkönig Ludwig XIV dieses Toleranzedikt wieder aufgehoben. Es begannen schwere Verfolgungen und rund 200 Tsd. dieser Hugenotten flohen in andere europäische Länder (die Niederlande, England und Dänemark vor allem), nach Amerika, Russland oder Südafrika. Da im damaligen Deutschland Entvölkerung und „Fachkräftemangel“ als Folgen des 30jährigen Krieges immer noch spürbar waren, waren die im neuen Manufaktur-Gewerbe geschickten Franzosen willkommen.
Noch im selben Jahr, am 7. Dezember, erteilte Markgraf Christian Ernst von Brandenburg-Bayreuth diesen Flüchtlingen erste Privilegien und wies ihnen eine Reihe Aufenthaltsorte im Markgraftum zu, die Residenzstadt Bayreuth anfangs ausgenommen. 1686 aber kamen etwa 100 von ihnen – vor allem aus dem überfüllten Erlangen – nach Bayreuth. 2/3 von ihnen, schätzt die Jubiläums-Festschrift 1986 aufgrund der Pfarr- und Kirchenbücher von damals, kamen aus den 3 Provinzen Languedoc, Dauphiné und Guyenne. Aber es werden auch 1 Ehepaar aus Amsterdam, 1 Italiener und 3 Schweizer als Anfangs-Mitglieder erwähnt. Man traf sich im Privathaus von Kaufmann Jacques Denty, der in Bayreuth schon eingebürgert war, zu Gebet und Psalmengesang. Bald kam auch ein 1. Pfarrer dazu, de la Roquette, der aber nur bis 1691 blieb.
Brandenburg, Ingrid & Klaus: Hugenotten. Geschichte eines Martyriums. 1990 (Edition Leipzig, Ellwanger Bayreuth)
Schutzumschlag = Ausschnitt aus dem Gemälde ‚Bartholomäusmorde’ von
Francois Dubois. 1572 (Musée Cantonal des Beaux Arts, Lausanne)
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Religionsedikt unter Markgraf Christian Ernst (1644/1661-1712)
„Spröde Orthodoxie“ herrschte 1686 in der evangelischen Kirche, schreibt Karl Hartmann in seiner Geschichte der Stadt Bayreuth. Und so waren die Bürger und Ratsherren, das Consistorium als geistliches Gremium und der gelehrte Superintendent Caspar von Lilien (1632-1687) strikt gegen die Ansiedlung der Flüchtlinge. Markgraf Christian Ernst aber war Europäer, durch Bildungsreisen und Kriegserfahrung, auch durch seine Erziehung am Berliner Hof ökumenisch gesinnt und mit der dort längst etablierten Reformierten Kirche vertraut. Der Kurfürst von Brandenburg (der selber Hugenotten erfolgreich ansiedelte) unterstützte ihn, das „Potsdamer Edikt“ zur Ansiedlung der Hugenotten wurde Vorbild, und der Superintendent war 1687 gestorben. Markgraf Christian Ernst setzte sich durch.
Wir kennen den Markgraf vor allem als kaiserlicher Generalfeldmarschall und Türkenbezwinger vor den Toren Wiens, in dieser Position in Bayreuth auch auf dem Markgrafenbrunnen vor dem Neuen Schloss. Für die Hugenotten war er „le prince le plus doux et plus bénin“ = der mildeste und gütigste Fürst.
Sein Religionsedikt vom 15. August 1687 erlaubte den französischen Flüchtlingen die Ansiedlung nicht nur in Erlangen, jetzt auch in Bayreuth – aus wirtschaftlichen, vor allem aber aus humanitären Gründen. In einer Déclaration mit 25 Artikeln („les droits et privilèges . . .“ ) sicherte der Markgraf den Hugenotten im ganzen Markgraftum freie Religionsausübung zu, verbunden mit allen bürgerlichen Rechten und einer ganzen Reihe Sonderprivilegien (Starthilfen, Kredite, Bauvergünstigungen, Steuer- und Zollprivilegien, Befreiung vom Heeresdienst . . . ). Rainer Trübsbach zitiert daraus für Bayreuth: „Wir gestatten ihnen den öffentlichen Cultus in einer der Vorstädte der gedachten Stadt, . . . in welcher Vorstadt sie ein Haus bauen können, das ihnen zum Tempel dienen mag.“
Integration wurde gefördert, die widerspenstigen Bayreuther zu Toleranz und Eintracht ermahnt – aber auch die Reformierten, die sich wegen ihrer strengen „Kirchenzucht“ ebenfalls vor „Vermischung“ fürchteten. Die Flüchtlinge – einmal angesiedelt – waren nun gleichberechtigte Untertanen. Solche Förderpolitik zur Ansiedlung und Integration von Migranten dürfte uns sowohl in Motivation wie Zielsetzung aus heute ähnlicher Situation vertraut sein. Mit dem „Tempel“ der armen und in Bayreuth kleinen Gemeinde haperte es allerdings. Die erste Taufe – bei der das Markgrafenpaar Pate stand – fand im Herbst 1687 noch im Privathaus des Kaufmanns Denty statt.
Bayreuth 1686 (Kupferstich). Älteste druckgraphische Stadtansicht
(Historisches Museum Bayreuth)
Markgraf Christian Ernst (1661-1712), auf dem Markgrafenbrunnen in Bayreuth & seine Déclaration von 1687 (Gemälde im Historischen Museum Bayreuth)
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Die Hugenotten werden hoffähig
1688 bildete man aus 8 Ältesten ein Presbyterium und. Und, man lese und staune, sie waren in der kurzen Zeit schon fast alle in Hofämter aufgestiegen und Markgraf Christian Ernst nützlich:
- Paul Terrasson, Doktor der Medizin & 1. Arzt des Markgrafen
- Pierre Charrier, Chirurg & Kammerherr des Markgrafen
- Daniel Pellontier, Chirurg & Kammerherr des Markgrafen
- Jean Guy, Garteninspektor des Markgrafen
- Jean Lacoste, Hofgoldschmied
- Jacques Denty, Kaufmann
- Jean Mainadier, Hofuhrmacher
- Abraham Gerbaud, Chirurg
Von einfacheren Gemeindemitgliedern, einem Schuster, ein Pflasterer z.B., ist wenig überliefert. Da die Mitglieder des Presbyteriums gleichsam „der Oberschicht angehörten“, konnten sie 1688 in der Altstadt (heute Eichelweg 12/14) von der Stadtgemeinde ein Haus als einfaches (1.) Bethaus erwerben.
Im Mai fand dort schon der erste Gottesdienst statt und bei der Herbstkommunion – so berichtet Wilhelm Kneule – nahmen 137 Personen teil. 1691 kam als neuer Prediger Jean Durand, der bis 1698 blieb, und die Gemeinde erhielt auch Zuwachs durch deutsche Emigranten und solche aus der Schweiz.
Aus dem bescheidenen Bayreuth wanderten aber einige dieser Oberschicht-Mitglieder bald weiter, „nach Preußen, nach Erlangen, ja sogar bis nach Holland und Irland. Von den 8 ersten Presbytern zogen 2 schon 1688, 2 weitere 1690 ins Brandenburgische. Denty ist ab 1693 in Erlangen ansässig.“ (300 Jahre Reformierte Gemeinde Bayreuth 1986 im Rückblick).
Das 1. entlegene Bethaus konnte 1696 wieder verkauft werden, denn 1695 erwarb man ein 2. Bethaus näher an der Stadt, das Hans Wolff gehörte, einem der Kirchenältesten und von Beruf Hofbüchsenmacher. Die Adressenangaben variieren in den Quellen für diesen Ort, „am Mühltürlein“, „vor dem Untern Tor am Graben“, „am Graben“. Es würde heute dem Hohenzollernring 50 entsprechen und ist längst abgerissen. Dort war jedenfalls auch Platz für die Wohnung von Kantor und Lektor. Die Gemeinde nutzte es 60 Jahre lang und verkaufte es erst 1757, als man schon 2 Jahre in der Erlanger Str. 29 residierte.
Blütezeit unter Markgräfin Elisabetha Sophia (1674/1703-1748) . . .
1703 wurde sie die 3. Ehefrau von MG Christian Ernst. Als Tochter des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg und Stiefschwester des Königs von Preußen stammte sie selber aus dem reformierten Zweig der Hohenzollern. In ihrem Hofstaat brachte sie Bekenner des reformierten Glaubens mit. Und obwohl sie Erlangen als Wohnsitz bevorzugte, durch sie erhielt die Bayreuther Gemeinde besondere Unterstützung. In der noch 1703 (am 28.11.) eigens für die Markgräfin eingerichteten Hofkapelle im Alten Schloss – „auf dem Rückflügel des äußeren Schlosshofes“ – predigte ihr eigener reformierter Geistlicher Heinrich Christian Lezius aus Anhalt auf Deutsch. Ab 1707 lebte das Markgrafen-Paar (angeblich auf ihren Wunsch) zwar fast ausschließlich in der Residenz und Hugenottenstadt Erlangen, wo die Markgräfin Mitglied der Concordien-Gemeinde war. Aber bis 1712 (Tod von MG Christian Ernst) durften die Hugenotten, die bis 1711 in de la Grange auch einen französischen Prediger hatten, die Schlosskapelle benutzen. Danach mussten sie wieder den Betsaal in ihrem Haus am Mühltürlein reaktivieren.
Wikipedia zur Erlanger Konkordienkirche:
Um die Spiegelsymmetrie zur Mittelachse des Schlossgartens herzustellen, sollte gegenüber der Orangerie die Konkordienkirche errichtet werden. 1708 wurde jedoch unter der Leitung von Gottfried von Gedeler nur der rechteckige Mittelteil ausgeführt. Zu dem Bau der beiden gebogenen Seitenteile, die Orangerie-Räume enthalten sollten, kam es nicht. Die Einweihung fand 1711 statt. Dennoch wurde die Kirche erst 1724 regelmäßig zu Gottesdiensten genutzt und bereits 1743 profaniert. Teile des Altars wurden für den Kanzelaltar der Neustädter Kirche verwendet. 1804–24 wurde das Gebäude nach beiden Seiten in einen rechteckigen klassizistischen Bau umgewandelt und ab 1840 als Kollegienhaus der Friedrich-Alexander-Universität genutzt. 1895/96 wurde das Gebäude unter anderem mit einer neubarocken Fassade und einem Mansarddach erneut umgestaltet. Seitdem dient es als Sitz des GeoZentrum Nordbayern der FAU (Friedrich-Alexander-Universität).
. . . & Prachtbibel
Die noch heute benutzte Prachtbibel der Gemeinde wurde 1672 in Limburg gedruckt. Sie enthält eine persönliche Widmung der Markgräfin Elisabetha Sophia vom 27. Juli 1710. In dieser vermerkt sie, die Bibel sei ein Geschenk an die in Erlangen gestiftete Concordia-Kirche (bzw. Concordia-Gemeinde). Dort blieb sie auch, bis die Concordia- oder Konkordien-Kirche (-Gemeinde) 1743 „eingegangen“ war und wurde dann mit anderem Inventar von Markgraf Friedrich 1744 als „Mitgift“ für die geplante Kirche der Reformierten Gemeinde nach Bayreuth überführt. Sie scheint – so die Festschrift 1986 aufgrund der Protokollbücher – auch das einzige Inventar gewesen zu sein, das dann wirklich bei der Gemeinde landete, da die Kirche nie vollendet wurde.
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Widmung von Markgräfin Elisabeth Sophie vom 27. Juli 1710 in der Prachtbibel der Reformierten Gemeinde
© Reformierte Gemeinde Bayreuth/ Katharina Lässig
Die Gemeinde zur Zeit von Markgraf Georg Wilhelm (1678/1712-1726)
Der Markgraf gründete noch als junger Mann und Erbprinz die barocke Planstadt St. Georgen vor den Toren von Bayreuth als seine persönliche Residenz. Anders als bei der älteren Modell-Planstadt Erlangen seines Vaters MG Christian Ernst, die dieser 1686/7 für eine größere Kolonie von Hugenotten-Flüchtlingen angelegt hatte, stand dies 1702/5 nicht zur Diskussion, als St. Georgen sich zu entwickeln begann.
Die kleine reformierte Gemeinde in Bayreuth hatte seit 1712 – mit Amtsantritt von Georg Wilhelm – die Schlosskapelle nicht mehr zur Verfügung. Wilhelm Kneule berichtet in seiner Kirchengeschichte von einem starken Absinken der Zahl der Gemeindemitglieder bis 1718. Die Jubiläums-Festschrift 1986 ist genauer und berichtet, dass nach Weggang des 3. Pfarrers de la Grange die Pfarrstelle von 1711-1719 unbesetzt blieb, auch Protokoll- und Kirchenbuch nicht weitergeführt werden (es fehlen die Einträge) und vermutet: „In dieser Zeit sind die Reformierten wohl von lutherischen Pfarrern getauft, getraut und beerdigt worden.“
1719 nahm man zwar die reformierten Gemeinden in Wunsiedel, Hof und Naila in den presbyterialen Verband auf und es gibt wieder einen Pfarrer, Hans Kaspar Schneider aus Zürich (genannt Johann Caspar Sartorius), der aber nur 2 Jahre bleibt. Aber in Bayreuth waren es 1724 „nur noch 40 deutsche und 30 französische Reformierte“.
Die gelegentlich „feststellbare, fehlerhafte historische Schilderung, Sankt Georgen sei eine Gründung reformierter Christen“ (oder für reformierte Christen bzw. Hugenotten) wusste Karl Müssel durch genauere Recherche zu erklären. Er führt sie auf die nie realisierten Planungen des Kammerherrn du Plessis zurück, der Mitglied in der Reformierten Kirche war „und der unzweifelhaft zur Verwirklichung seiner Ideen reformierte Colonisten ansiedeln und für sie das freie exercitium religionis erreichen wollte.“ (St. Georgen bei Bayreuth: die „Hugenottenstadt“ ohne Hugenotten, in: Erlanger Bausteine zur fränkischen Heimatforschung; 34 -1986, S. 291-319).
Der Markgraf hatte ohnehin wirtschaftspolitisch in Handwerk und Manufakturen investiert und war den sozialen wie Manufaktur-Ideen seines Kammerherrn gewogen. Am 10. März 1725 ordnete er eine Collecte an, um einen Fonds zu bilden, denn es solle nicht nur „ein Stift für fürstliche Prinzessinnen, gräfliche, adeliche, bürgerliche Jungfrauen und Witwen nach jedem Stand errichtet werden, sondern auch eine Colonie und bei solcher allerhand Manufakturen.“ Aber da MG Georg Wilhelm im Jahr darauf verstarb und der Kammerherr entschwand, verblich auch diese Utopie.
Markgraf Georg Wilhelm, 1712-1726 & Planstadt St. Georgen (Modell)
(beides: Historisches Museum Bayreuth)
. . . & Markgraf Georg Friedrich Karl (1688/1726-1735)
Auf dem Foto schmückt der Pilger-Hugenotte heute die hintere Eingangstür der Erlanger Straße 29. Zum 300jährigen Jubiläum gab die Reformierte Gemeinde auch eine entsprechende Siegelmünze in Auftrag.
Immerhin erneuerte Georg Wilhelms Nachfolger schon 1727 die Privilegien der Reformierten Gemeinde, der er als Pietist besonders gewogen war. Er gestattete auch die Führung eines Kirchensiegels (in kirchlichen Angelegenheiten), auf dem ein Pilger – oder Flüchtling – mit Tasche, Wanderstab und Hut gegen Sturm und Wetter ankämpft. Dieses „Logo-Design“ war auch bei anderen Hugenotten-Gemeinden in Gebrauch.
Aber in dieser Zeit verzeichnet Pfarrer Johann Heinrich Meister (genannt Jean Henri LeMaitre), der bis 1730 blieb, nur wenig Amtshandlungen. Die Gemeinde ist fast am Erlöschen. 1727-1729 ist sogar wieder eine Lücke im Protokollbuch. 1730-1731 hat die inzwischen „verdeutschte“ Gemeinde noch einmal einen Pfarrer, der auch französisch predigen kann. Aber, so die Festschrift 1986 „Das Presbyterium blieb weitgehend französisch, die Pfarrer waren deutschsprachig, die Gemeinde gemischt“ – die Einträge im Kirchbuch sind es auch. 1732 folgt dann Prediger J.H. Boller aus der Schweiz.
Unter Markgraf Friedrich (1711/1735-1763) – Die reformierte Hofgarten-Kirche 1744 in spe
Markgraf Friedrich setzte die tolerante Religionspolitik seiner Vorgänger fort. Unter ihm erhielten sowohl die katholische wie die reformierte Gemeinde in Bayreuth endlich würdige Gotteshäuser. Markgräfin Wilhelmine war selbst im reformierten Glauben erzogen und setzte sich von Anfang an für die Reformierte Gemeinde ein. Auch sie brachte viele Glaubensgenossen aus Berlin mit sich. Der reformierte Pfarrer Johann Heinrich Boller erhält nun sogar die Aufgabe und den Titel eines Hofpredigers. Er hält 1744 bei der Grundsteinlegung der (geplanten) Reformierten Kirche auch die „Standrede“ (siehe Pressebericht von damals im Kasten rechts). Und Markgraf Friedrich war selber im calvinistischen Genf erzogen worden.
Außerdem war die Nebenresidenz, Universitäts- und Hugenottenstadt Erlangen „der beste Steuerzahler im Fürstentum“ und wurde besonders mit Privilegien gefördert. Die reformierten Refugiés (Flüchtlinge) waren für ihr protestantisches Arbeitsethos, ihre Sparsamkeit, Askese, Sozialverhalten und Kirchenzucht bekannt und ein wirtschaftspolitischer Ansporn, den nicht nur der Landesherr schätzte. Die deutschen Handwerker und Kaufleute konkurrierten, lernten aber ebenso von ihnen, traten bald in ihre Fußstapfen und übernahmen im Laufe der Zeit auch partiell deren Werkstätten, Manufakturen, organisatorische und technische Neuerungen.
Trotzdem dauerte es nach Regierungsantritt 1735 noch eine Weile, bis MG Friedrich am 28.08.1738 die Privilegien für die Reformierten erneuerte und – auf Veranlassung von MGin Wilhelmine – 1744 die Schenkung eines Grundstücks an der Rennbahn (Ludwigstraße) vor dem Hofgarten wahrmachte, „zur Erbauung eines Tempels, samt Predigers Haußes“– incl. Baumaterialien und freien Fuhren dazu, mit denen schon im Juni begonnen wurde.
Historiker und Stadtheimatpfleger Wilfried Engelbrecht hat uns in seinem verdienstvollen Sammelband mit Bayreuther Presse-Neuigkeiten des (vor allem) 18. Jh. immerhin die Original-Berichterstattung zur vielversprechenden Grundsteinlegung der Reformierten Kirche am 27. August 1744 durch die Markgrafen-Familie überliefert. Und Helmut Haas hat die lateinische Inschrift auf der zinnernen Tafel übersetzt, die man damals mit eingrub. Denn mit Pomp fing es an.
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Was 1744 vielversprechend begann . . .
Es begann alles hoffnungsfroh. Die finanzschwache Gemeinde bekam ein Collecturpatent, durfte also sammeln gehen, „durch welches sie bei 10.000 fl. zusammenbrachten“ – eine damals beträchtliche Summe. Aus der 1743 aufgelassenen Erlanger Schloss- bzw. Konkordienkirche ließ Markgraf Friederich Orgel, Gestühl, Kanzel und Altartücher nacheinander schon 1744 als Mitgift für die neue Kirche nach Bayreuth bringen. Das wird mehrfach dokumentiert. Die Gemeinde berichtet in ihren Aufzeichnungen auch vom zeitgleichen Transport der Altarbibel, die sie heute noch nutzt, und dass sie von dem anderen Equipment für die geplante, aber nie vollendete Reformierte Kirche nie etwas gesehen habe.
Am Pfarrhaus, das 1745 unter der Leitung von Hofarchitekt Joseph Saint Pierre begonnen wurde, gehen die Arbeiten voran. Im August wird schon Richtfest gefeiert. Hofkünstler, u.a. der Stuckateur Carlo Daldini und Hofbildhauer Johann Gabriel Räntz sind beteiligt. Letzterer wird u.a. für seine Arbeit am flachen Giebeldreieck über dem Hauseingang bezahlt, in dessen Mitte er das Auge Gottes platziert. Saint-Pierre & Räntz variieren wenig später dieses – für Markgrafenkirchen typische – „Trinitäts-Logo“ an der Spitalkirchen-Front.
Bis Ende 1747/Anfang 1748 zogen sich weitere Bauarbeiten noch hin. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen: Ein freistehender, auf beinahe quadratischem Grundriß errichteter, zweigeschossiger Bau mit Mansardendach und fünfachsiger Fassade nach dem Platz zu. So viel ist überliefert, auch weitere Baudetails. Ob das Haus seinen Zweck erfüllte – als Schule im Erdgeschoss und Pfarrwohnung – ist zwar nicht belegt, zumindest für die Folgejahre aber anzunehmen. Davon gehen auch der reformierte Pfarrer und Autor Samuel Barth 1858 und die Autoren der Jubiläumsschrift von 1986 aus. 1753 – im Jahr des Abbruchs – diente es nachweislich der Baronin von Künsberg als Wohnung.
Der Bau der Kirche ging nur zögerlich voran, 1745 werden 2 Kapitelle geliefert, 1746 wird noch immer kein Richtfest gemeldet, die Bauakten zum Fortschritt sind spärlich. Alles stockte dann 3 Jahre wegen Geldmangel – aber nicht nur deswegen. Schon ab 1744 hatte das Hofbauamt ein größeres städtebauliches Programm für die Anbindung des bis dahin abgelegenen Hofgartens an die Stadt in Arbeit – und Hofarchitekt Joseph Saint Pierre ist daran beteiligt.
Das Markgrafenpaar Friedrich und Wilhelmine. Darunter „Die Hochfürstl. Residenz-Stadt Bay-reuth“. Kupferstich. Um 1745/50.
Diese Pläne für Rennbahn und Platzgestaltung konkurrieren nun mit Wilhelmines romantischer Idee einer Kirch-Platzierung am Hofgarteneingang. Markgraf Friedrich bereut also seine Entscheidung, eine eingeschossige Kirche als Mittelpunkt einer Anlage zu behalten, deren zweigeschossige Reihenhäuser – in geschlossener Bebauung – auf den 3 der Stadt zugewandten Seiten des Platzes sie überragt hätten, was auch für die prominente Einzelbebauung rechts und links der Kirche zutraf. Die Stadt öffnete sich selbst zu Hofgarten und Landschaft.
Das Blatt beginnt sich zu wenden. Im April 1750 werden 31 Eichenbretter, die für den Fußboden der Kirche bestimmt waren, für den Fußboden im Musikzimmer des Markgrafen in die Eremitage transportiert. Im März 1751 ist auf einmal die Rede von einer (Fürsten-?)Gruft unter der Kirche, was erhebliche Planänderungen erfordert hätte. Im Oktober 1752 befiehlt Ihro Hochfürstliche Durchlaucht den Gemeinde-Vorstehern gnädigst, statt ihres angefangenen Kirchenbaus ein Hauß zu bauen und dazu die Materialien von der ohnausgebauten Kirchen anzuwenden . . . alles nachzulesen in den Presbyterialakten der Gemeinde, von denen Klaus Merten etliche zitiert.
Stadt & Hofgarten wachsen zusammen . . .
Wie die Kirche aussah?
Für die Aussenansicht gibt es nur Anhaltspunkte: Aus dem Riediger-Plan von 1745 kennen wir den Grundriss-Entwurf, dessen Maße in den Bauakten vom März 1751 genau beziffert werden, ein eingeschossiger „fast quadratischer, leicht rechteckiger Bau mit stark eingezogener Apsis.“ Die Bauakten vom Okt. 1746 berichten von Pilaster-Gliederung, Rundbogenportal, Pyramidendach mit Dach-Laterne und Glockenstuhl (4 Rundbogenfenster und 4 Ziffernblätter einer Uhr).
Entwurfszeichnungen aus dem Hofbauamt dazu gibt es allerdings nur aus dem Jahr 1753, als der Abbruch schon beschlossen oder sogar vollzogen war, ein neuer Versuch also, der aber nie realisiert wurde. Aufriss & Grundriss sind dem Bericht des Bayreuther Justizrates König zur Entstehung des Neuen Schlosses (Ms. 129, Historischer Verein Oberfranken) beigefügt und stellen eine kleinere Kirche im freien Gelände dar. Sie werden – da die Grundriss-Proportionen mit den 1751 zitierten übereinstimmen – in den Quellen von Merten und Haas zumindest als plausibles Anschauungs-Dokument auch für Frontgestaltung und andere Elemente gewertet. Auch hier zeigte der Tor-Giebel übrigens das Dreieck der Dreieinigkeit mit dem Auge Gottes im Strahlenglanz.
Für die Innenausstattung gibt es keine Abbildungen. Sie wurde nicht realisiert, es gibt nur einige Stichworte aus den Akten bei Klaus Merten dazu. So scheint eine rundlaufende Empore geplant gewesen zu sein, auch um die von Markgraf Friedrich aus der Erlanger Konkordien-Kirche gestiftete Orgel aufnehmen zu können. Für die Presbyter (Kirchenältesten) waren vorne vor der (Erlanger) Altar-Mensa Bänke vorgesehen, an den Seiten eine erhöhte Bankreihe mit besserer Sicht zum Altar. Das Gestühl sollte ja auch aus der aufgelassenen Konkordienkirche übernommen werden.
Und seit man weiß, dass die Fassade beim Abbruch der unvollendeten Kirche 1753 u.a. als Blendarkaden-Architektur für das im gleichen Jahr „über Eck“ errichtete Komödienhaus genutzt wurde, vermittelt der davon übriggebliebene Hofgarten-Eingang (siehe Postkarte & Fotos davon im nächsten Abschnitt) sogar einen plastischen Eindruck. August Gebessler präzisiert ihn als (1959, S.52): „…gewinkelte hohe Verbindungsmauer mit 5 /= 2 seitlich +3 frontal/ rundbogigen Arkaden und Pilastergliederung. Drei Arkaden sind vermauert zu stichbogigen Fenstern. Balustradenbekrönung.“
Es endete 1753 mit Abbruch
. . . Doch nicht für Sie, es bleibt spannend !
Und es kam noch etwas hinzu: Der Bau einer eigenen Kirche in Bayreuth, die Hofarchitekt Joseph Saint-Pierre in der Tradition des hugenottischen Kirchenbaus entwarf und die das Markgrafenpaar förderte, hätte den Kreis der „Markgrafenkirchen“ theoretisch auf Dauer ergänzen können – wenn, ja wenn nicht im eiseskalten Januar 1753 das Alte Schloss abgebrannt wäre und als Neues Schloss und Regierungssitz nur das besagte Gelände samt vorhandenen Bauten infrage kam. Dies teilt die Kammer dem Oberbaudirektorium im Juni 1753 auch offiziell mit . . . „welches dann auch das vor einigen Jahren neuerrichtete reformirte Pfarrhaus und soviel von der Kirche bereits erbauet gewesen, mit betreffen.“ Da war die Kirche schon abgebrochen und Markgraf Friedrich hatte eine Abfindung in Aussicht gestellt.
Die Grundmauern der Reformierten Kirche wurden ins Corps de Logis, den Mitteltrakt des Neuen Schlosses einbezogen – und diesmal machte die Achse zur Markgräflichen Baille Maille des Hofgartens Sinn. Die Pfarrhaus-Fassade wurde in den linken Schlossflügel verbaut, wobei Haustür & Giebeldreieck in ein Fenster verwandelt wurden. Das aufsteigende Mauerwerk vom Rohbau der Kirche mit seinen Pilastern und Fenster-Archivolten wurde abgetragen und “recycled“, in diesem Fall als Blendarkadenarchitektur beim katholischen Oratorium in der Friedrichstraße 17 und beim neuen Komödienhaus am Hofgarten.
Der Hofgarten-Eingang – incl. der beiden Blendarkaden im Winkel zur Ludwigstraße – ist nicht nur das einzige Relikt der unvollendeten Reformierten Kirche, sondern auch vom ehemaligen Komödienhaus (1753-1761). Hofarchitekt Joseph Saint Pierre baute es im Winkel zur Reithalle (heute Friedrichsforum), die er schon 1747/48 einstöckig errichtet hatte (aufgestockt wurde 1761). Deswegen musste Hofarchitekt Carl Gontard auch 1758 das „Storchenhaus“ (Ludwigstraße 29) so spitz-zulaufend entwerfen.
Gemessen an den hohen Erwartungen an die markgräfliche Patronage (bzw. Matronage) und dem bis 1753 schon erreichten Gebäudestandard von Bet- und Pfarrhaus am Hofgarten, fiel die fürstliche Entschädigung für die Reformierte Gemeinde unbefriedigend aus. Bis 1781 – also bis in die Regierungszeit von Markgraf Alexander von Ansbach-Bayreuth – zog sich die Schadensersatzklage hin.
Neues Schloss, 1753 (aus Geldmangel) von Hofarchitekt Joseph Saint Pierre „zusammenkomponiert“ – aus dem Fundament der unvollendeten Reformierten Kirche (Mitteltrakt, darüber der Festsaal), dem Reformierten Pfarrhaus (links davon) und 3 Wohnhäusern bzw. Wohn-Palais.
Hofgarten-Eingang als Relikt der unvollendeten Reformierten Kirche, das zur Aussen-Fassade vom ehemaligen Komödienhaus wurde. (Postkarte um 1900, Fotos 2023)
Ein Glücksfall – die Erlanger Straße 29 . . . & Tod von Markgräfin Wilhelmine
Zwei Jahre dauerte die Suche nach einem neuen Domizil. Das Bethaus am Mühltürlein, seit 1698 im Besitz der Gemeinde (siehe oben) diente wieder als Provisorium. Am 17. September 1755 konnte man das prachtvolle „Palais von Gleichen“ in der Erlanger Str. 29 erwerben – für die beträchtliche Summe von 11.000 Gulden. (Zum Vergleich: Soviel kostete um die gleiche Zeit der Neubau der Markgrafenkirchen in Nemmersdorf und Neudrossenfeld. Die Redoute = Opernstraße/Münzgasse, die Hofjude Moses Seckel wenige Jahre später für sich und seine Jüdische Gemeinde Markgraf Friedrich abkaufte, kostete etwas über 8 Tsd Gulden).
Im Februar 1756 konnte man die Kirche schon einweihen. Das alte Bethaus wurde ein Jahr später verkauft.
Als Markgräfin Wilhelmine am 14. Oktober 1758 nach langer Krankheit starb, hielt ihr (reformierter) Hofprediger Andreas Wüest am 18. Oktober in der Schlosskirche nachts zwischen 10 und 11 Uhr die kirchliche Trauerpredigt – „in Gegenwart des gesammten hohen und niedern Hofstaats, aller Herren von der Regierung, Cammer, und Landschaftt“ und „auf dem Altar stehend“, wie er selber notiert. Seine Predigt handelte – auf ihren ausdrücklichen Wunsch – „von der Eitelkeit aller menschlichen Dinge, nicht aber von ihrer Person“.
Das Ereignis ist im Kirchenbuch der Reformierten Gemeinde aufgezeichnet, deren Pfarrer er seit 1750 war und bis 1779 auch blieb. Danach kehrte er wieder in seine Heimat, die Schweiz, zurück.
Todeseintrag Markgräfin Wilhelmine im Kirchenbuch der Reformierten Gemeinde Bayreuth (Bearbeitung und Transkription Horst Lochner)
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Das von Meyernsche Adelspalais . . .
Die heutige Erlanger Straße lag damals noch „vor den Toren der Stadt“ und hieß, weil sie am Stadtfriedhof vorbei zur Altstadt führte, Gottesackergasse. Im Juli 1743 war Joseph Saint-Pierre als Hofarchitekt angestellt worden und der Entwurf für dieses klassische Palais „am Erlanger Tor im scharfen Eck“ für den Postmeister Johann Anton von Meyern (1675-1764) gilt als sein Bayreuther Frühwerk. Dieser hatte 1742 sein (erst 1738 erbautes) prächtiges Eckhaus Friedrichstraße Nr.15 – die Postei – an Markgraf Friedrich verkauft/verkaufen müssen, damit dieser dort seine neu gegründete Universität einrichten konnte.
Da der Markgraf seit März 1736 einheimischen und fremden Bauwilligen – sofern sie „nach einem vorhero examinierten Riß zu bauen gesonnen“ – langfristige Steuerprivilegien, Gips- und Holzlieferungen und andere Bau-Vorteile zusicherte, konnte sich auch der Postmeister auf seinem schon vorhandenen Grundstück in der Erlanger Straße „ein für die damaligen Bayreuther Verhältnisse sehr aufwendiges Haus“ leisten. Das Richtfest konnte im November 1743 gefeiert werden.
Das Adelspalais fiel damals schon aus dem sonst üblichen Rahmen. Denn der zweigeschossige Sandstein-Quaderbau von 3:7 Achsen, mit Mansarddach, Stichbogenfenstern und mittiger doppelläufiger Freitreppe wurde außen beidseitig flankiert von 2 korbbogig gefugten Torbögen mit Vasenaufsatz, durch die man zum langgestreckten Barockgarten gelangte. An die Torbögen schlossen sich rechts und links kleine Nebengebäude für Dienerschaft und Ökonomie an – wie das Haupthaus mit hohem Kellergeschoss & Walmdach, jedoch einstöckig und zweiachsig. Diese großzügige symmetrische Anlage hat durch den späteren Umbau und die Aufstockung der beiden pavillonartigen kleinen Häuser (rechts 1873, links 1882) gelitten.
. . . wird Palais von Gleichen . . .
& 1755 Sitz der Reformierten Gemeinde Bayreuth
Von Klaus Merten wissen wir: „Im März 1749 wurden Haus und Garten vom Sohn des Bauherrn – noch zu dessen Lebzeiten- an den Baron Gleichen-Rußwurm verkauft.“ Dieser Frhr. Friedrich Wilhelm von Gleichen-Rußwurm (1717-1783) war ein bei Markgraf Friedrich angesehener Hofbeamter, Oberstleutnant, Marstall-Chef und Naturwissenschaftler. Da er jedoch vermögend war, selber geerbt hatte und sich aus dem Hofleben zurückziehen wollte, um sich seinen Forschungen zu widmen, verkaufte er das Anwesen 1755 an die Reformierte Gemeinde. Denn 1754/55 gehörte er zur Begleitung des Markgrafen-Paares auf Wilhelmines Italienischer Reise und hatte da wohl diesen Entschluss gefasst. Die Gemeinde baute das Palais für ihre Zwecke etwas um und konnte Kirchsaal und Pfarrwohnung 1756 endlich einweihen.
Die Hugenotten lehnen im Allgemeinen Bilder und Kreuze in den Gottesdiensträumen ab, und so ist auch der Bet- und Gemeindesaal (mit 160 Sitzen) in der Erlanger Straße einfach gehalten. Die Treppe innen mit den Holzbalustern ist noch erhalten, auch einzelne Türen und der einfache Rahmenstuck im Kirchsaal des 1. Obergeschosses. Die zwei Farbfenster im neubarocken Stil stammen aus dem Atelier Josef Scheppach aus Nürnberg und wurden 1907 in den Gemeinde- bzw. Kirchenraum eingebaut.
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Aufriss und Grundriss von 1755 (siehe Abb. im vorherigen Abschnitt) geben den Zustand kurz vor dem Besitzwechsel an die Reformierte Gemeinde wieder (AO 1964, siehe Literaturangaben). Das Erlanger Stadttor wurde erst 1851 abgebrochen (siehe Inschrift-Tafel am westlichen Torbogen). Der frühere Stadtheimatpfleger Franz Simon Meyer weist darauf hin, dass Dachreiter und Glocke zwar alt sind, aber erst 1989 von der ehemaligen katholischen Notkirche in Mistelbach hierher übertragen wurden.
Der Barockgarten „des Herrn von Gleichen“
Museumsdirektorin Sylvia Habermann, die über Barockgärten promoviert hat, beschreibt 1988 in ihrem vergnüglichen (fiktiven) Cicerone diesen langgestreckten schmalen Garten hinter dem Palais, den der Frhr. von Gleichen erworben hatte und sorgsam pflegte. Er bestand aus 12 Blumen- und Rasenfeldern, von niedrigen Hecken umrahmt, dazwischen 3 Bassins mit Wasserspielen. Am Ende wurde der Garten „durch eine zierliche Lattenarchitektur in Form eines gebogenen Ganges zwischen Pavillons abgeschlossen.“ Natürlich bedauert sie in dem für Barock-Touristen des 18. Jh. gedachten Cicerone, dass die Reformierte Gemeinde sich diesem Garten nicht mit der gleichen Sorgfalt widmete.
Auf Riedigers carte spéciale von 1745 ist die Gartenanlage gut zu erkennen, da gehörte sie noch dem Postmeister J. A. v. Meyern. Daneben der große Baumgarten rechts davon und die Villa des Major Johann Philipp von Beus.
Gleichen und Beus waren 1740 – zusammen mit Daniel de Superville, August Wilhelm von Treskow und Frédéric Samuel de Montmartin – im Gefolge von (und mit) Markgraf Friedrich am preußischen Hof von König Friedrich II feierlich in dessen Loge Aux trois Globes als Freimaurer aufgenommen worden. Die Schlossloge des Markgrafen wurde noch 1740 gegründet, die Stadtloge – in der von Gleichen Stuhlmeister wurde – etwas später, im Dezember 1741. Postmeister von Meyern gehörte, wie viele aus des Markgrafs Hofstaat, ebenfalls zum aufgeklärten „Club“ der Freimaurer und war Logenbruder.
In die Legende ging das respektable Anwesen jedenfalls als Palais von Gleichen ein. Das Lob für Palais und Barockgarten dürfte aber dennoch zuerst dem Bauherrn und mehrjährigen Vorbesitzer des Adelshauses, Johann Anton von Meyern gebühren. Klaus Merten weist in seiner Studie zu Saint Pierre (in der er den Garten auch beschreibt) darauf hin, dass der Postmeister das Grundstück schon 1732 erworben habe und „sich hier wahrscheinlich zunächst einen Garten anlegte“, jedenfalls vor dem Hausbau, denn die Gartenanlage ist einfach komponiert und stammte sicher nicht aus der Feder des Architekten Saint Pierre. Zudem ist belegt, dass 1749 Haus u n d Garten an von Gleichen verkauft wurden. Immerhin hat dieser ermöglicht, dass der bescheidene Barockgarten öffentlich genutzt werden konnte – den Bayreuthern ein Vergnügen und auch den Touristen damals (im Rückblick) zu empfehlen.
Ein idyllisches, aber kleines Pfarrgarten-Gelände – mit Pavillon – gehört heute noch zur Reformierten Gemeinde. Ihn nutzt vor allem der Integrative Montessori Kindergarten.
Wie ging es weiter?
Trotz des ansehnlichen Domizils tat sich die Reformierte Gemeinde in Bayreuth auch nach 1755/56 weiterhin schwer. 1770 meldet sie einen Sterbe-Überschuss. 1797 berichtet sie an die Königlich-Preußische Regierung, sie bestehe einschließlich der Filiale Naila aus nur noch 24 Haushaltungen. „Unter Preußen ging die Kirche auch all ihrer Privilegien verlustig – und zwar für immer“, so die Festschrift. Vor allem war der jährliche Zuschuss des Markgrafen weggefallen. Auch die enge Verbindung zur Reformierten Gemeinde in der Schweiz löste sich auf, die bald 80 Jahre das Gehalt der Bayreuther Pfarrer bezuschusst hatte „unter der Bedingung, dass die Prediger von dort berufen würden“.
Nach den auch Bayreuth belastenden napoleonischen Kriegen wurden das Markgraftum Brandenburg-Ansbach-Bayreuth (seit 1791/92 preußisch) und das protestantische Franken in das katholische Bayern integriert. Der Bayerische König wurde summus episcopus (oberster Landesbischof) – wie zuvor die Markgrafen. Bis etwa 1830 war das Verhältnis zu den Lutheranern entspannt und liberal, man half sich auch gegenseitig aus. Danach musste manches neu erstritten und geregelt werden. Ab 1853 bildeten die Reformierten in Bayern eine eigene Synode. Samuel Barth berichtet 1858 von 165 Gemeinde-Mitgliedern („die hier stationierten Militärpersonen eingeschlossen“) und dass die französischen Namen ganz ausgestorben seien. 1876 wird allgemein die Zivilehe eingeführt, so dass das Problem der Mischehen säkularisiert umgangen werden konnte . . . Mehr zur wechselvollen Geschichte der evangelisch-lutherischen Gemeinde(n) ab 1806 finden Sie bei wikipedia.
Register der Taufen, Hochzeiten und Beerdigungen
von Monat September 1687 bis 1756/57 (Deckblatt, Gemeindearchiv).
Situation heute
Von den etwa 450 Mitgliedern dieser reformierten Diaspora-Gemeinde kommt etwa die Hälfte aus Bayreuth samt Umland, die anderen vorwiegend aus dem NO Oberfrankens und der Oberpfalz. Auch wenn das Einzugsgebiet also groß ist – Gemeindeleben, Partnerschaften und Veranstaltungen konzentrieren sich vor allem auf die Stadt Bayreuth und die nahegelegenen Landkreise. Der Schwerpunkt liegt auf diakonischer Arbeit und die ökumenischen Kontakte werden gelobt.
Mit den anderen 3 reformierten Gemeinden in Franken – Erlangen, Nürnberg und Schwabach – rückt man inzwischen näher zusammen, bei regelmäßigen Regionaltreffen, gemeinsamen Veranstaltungen und dem Projekt Fränkische Predigtreihe.
Die Bayreuther Gemeinde ist eine von 10 reformierten Kirchengemeinden in Bayern. Die Evangelisch-reformierte Kirche in Bayern war bis 1989 eine selbstständige evangelische Kirche und schloss sich dann als Synodalverband und Gliedkirche der EKD (Evangelische Kirche Deutschland) an.
Text & Fotos: Dr. Karla Fohrbeck, 2023
Mit Dank an Pfarrer Simon Froben von der Reformierten Gemeinde Bayreuth sowie Christine Bartholomäus vom Stadtarchiv Bayreuth & Walter Bartl für Korrekturen und Ergänzungen.
Dieser Beitrag ist durch einen Zuschuss des Vereins Markgräfliches Bayreuth ermöglicht worden.
Mehr zum Markgrafenbrunnen von Türken-Bezwinger Markgraf Christian Ernst finden Sie hier.
Kontakt
Evangelisch-reformierte Gemeinde Bayreuth
Erlanger Str. 29, 95444 Bayreuth
reformiert-bayreuth@web.de,
www.reformiert-bayreuth.de
Telefon 0921 – 62070
Öffnungszeiten Kirchsaal:
Di – Fr 8.00 -14.00 Uhr | So 9.30-12.00 Uhr
Gottesdienst SO 10 Uhr