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barocke Prachtbauten & -Strassen
Von der Postei zur Universität /
Friedrichs-Akademie – Friedrichstr. 15
Wandert man vom Ellrodt-Palais auf der linken Straßenseite mit den ungeraden Nummern in Richtung Jean-Paul-Platz, so kommt man an das Eckgebäude Nr. 15.
Ehemalige alte Postei
Das prominente Eckgebäude Hausnummer 15 wurde als beeindruckender Sandsteinquaderbau mit Pilastern,
2 Hintergebäuden und Höfen sowie großer Toreinfahrt 1738 – vermutlich nach Plänen von Hofbaudirektor Johann Friedrich Grael* (1707-1740) – von Maurermeister Christoph Mader** erbaut. Dieser verkaufte es im gleichen Jahr (oder kurz darauf) an den Reichspostmeister und Landschaftsrat Johann Anton von Meyern*** (1675-1764).
Als bürgerlicher Johann Anton Meyer hatte er 1708 die einträgliche Thurn- & Taxis’sche Postmeisterstelle in Bayreuth erhalten und zwischen 1713 und 1721 das gesamte Rittergut Bockshof aufgekauft, das spätere Meyernberg. 1736 wurden er und seine Familie von Kaiser Karl VI wegen ihrer Verdienste geadelt. Er konnte es sich also leisten, das Postamt 1738 vom heutigen Reichshof-Gebäude am Marktplatz in die breite, offene und neu angelegte Friedrichstraße 15 zu verlegen.
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Lateinschule – Gymnasium – Universität
Eine Lateinschule gab es – neben der Deutschen Schule – in Bayreuth schon vor und bald nach der Reformation. Martin Luther forderte 1524: „Der weltliche Stand braucht Schulen, die Bürger und Beamte bilden“. Lesen, Schreiben und Rechnen sollten in einer Elementarschule Jungen und Mädchen aller Stände lernen können – Bibellektüre inbegriffen. 1571/72 bekam die Lateinschule ein eigenes Gebäude neben der Stadtkirche. Dieses 1. Domizil am Kirchplatz 2-4 fiel aber den Stadtbränden 1605 und 1621 zum Opfer. Der neue freistehende Sandstein(quader)bau von 1626-1628 – heute Sitz des Historischen Museums – gab längerfristige Sicherheit. Dennoch: Nach den Wirren des 30jährigen Kriegs (1618-1648) war die Lateinschule in keinem guten Zustand. Und der junge, zum Markgraf bestimmte Christian Ernst (1644/1661-1712) hatte auf seinen Reisen in Frankreich und Belgien, aber auch an anderen Fürstenhöfen, Vergleiche anstellen können und gute Schulen, Gymnasien und Universitäten kennengelernt.
1664, kurz nach Regierungsantritt stockte er daher „seine“ Lateinschule zum „Gymnasium illustre“ auf. Das Gebäude wurde erweitert, so dass – wenn auch beengt – genügend Klassenzimmer für beide Einrichtungen (sowie 3 Wohnungen) zur Verfügung standen. Am 27. Juli – seinem 20. Geburtstag – konnte MG Christian Ernst das Gymnasium Christian Ernestinum (heute noch humanistischen Standards verpflichtet) einweihen. Für Philosophie, Theologie, Geschichte, Griechisch/Hebräisch und Latein wurden Professoren eingestellt, so dass künftige Theologen, Juristen, Ärzte und Beamte für den späteren Besuch einer Universität (außer Landes) gut gerüstet waren. Kenntnisse in Französisch, Fechten, Tanzen und Reiten waren nützlich für Karrieren an Fürstenhöfen und wurden von Hofbeamten unterrichtet. Der hoch gebildete Superintendent und Hofprediger Caspar von Lilien (des jungen Markgraf eigener Lehrer) wurde der „spiritus rector“ dieses neuen geistigen Zentrums. In der Stadtkirche hatten Schüler und Lehrer sogar ihre eigene Empore. Die Residenzstadt war nun überregional „konkurrenzfähig“.
Friedrichs-Academie . . .
An diese Maßstäbe wollten das Markgrafenpaar Friedrich & Wilhelmine 1742 anknüpfen. Den Impuls, das Gymnasium zur Academie auszubauen, gab Daniel von Superville. Ihn hatte der preußische Kronprinz Friedrich seiner Schwester 1738 als Leibarzt zugesandt. Aber inzwischen war der prominente Mediziner aufgrund weiterer Fähigkeiten u.a. zum Direktor des Christian Ernestinum avanciert, mit dem er höhere Ziele verfolgen wollte.
Das Gymnasium sollte auf eine neu zu gründende Friedrichs-Academie vorbereiten, wobei der Stiftungsbrief vom 14. März schon andeutete, dass der Ausbau zu einer Universität angestrebt wurde, damit die Landeskinder innerhalb des Markgraftums studieren konnten. Am 21. März fand in der Aula des Gymnasiums die feierliche Einweihung statt, „zu der die markgräfliche Familie, der gesamte Hofstaat und die Räte der fürstlichen Behörden erschienen“, außerdem die ersten 31 Studenten (davon 24 „Abiturienten“ des Gymnasiums). Sie durften ab jetzt Degen tragen.
. . . als Markgräfliche Universität
Aber es brauchte nun nicht nur renommierte Dozenten, auch ein eigenes Gebäude für die neue Hochschule und ihre 4 Fakultäten, die theologische, philosophische, juristische und medizinische. Markgraf Friedrich erwarb daher noch im gleichen Jahr 1742 vom Postmeister Johann Anton von Meyern das imposante Eckhaus Friedrichstr. 15 und ließ dort als erstes die Hörsäle und die Anatomie einrichten. Auch eine Sternwarte war vorgesehen. Das Markgrafenpaar stiftete Stipendien und erhob die Academie in den neuen Räumen sogleich zur Universität.
Da Altdorf (bei Nürnberg) und Leipzig die nächstgelegenen Universitäten waren, beantragte MG Friedrich – nachträglich – die kaiserlichen Privilegien für den Universitäts-Status der Friedrichs- Academie in Bayreuth. Diese wurden am 21.2.1743 von Kaiser Karl VII von Wien aus verliehen, wobei der Kaiser die Wahl von Ort bzw. Sitz der Universität dem Markgrafen überließ. Superville wurde „wirklicher Geheimrath“ und ihr Direktor. Die Studentenzahl wuchs auf 66 an. „Man hätte alle akademischen Grade in Bayreuth erlangen können“ (Karl Müssel 1993).
. . . verlegt nach Erlangen
Drei Jahre sollten die Landeskinder hier studieren, aber sie legten sich wiederholt mit dem Bayreuther Militär und den Bürgern an, es gab Unruhen in der Residenzstadt und keinen Frieden. Auch führte der relative und rasche Alleingang des (der Aufklärung zuneigenden) „Freimaurer-Gespanns“ MG Friedrich & Superville beim konservativen Rat, den Landständen und dem Konsistorium zu Verdruss und Widerstand. So wurde diese 1. Bayreuther Universität schon ein Jahr später, am 4. Juli 1743, nach Erlangen verlegt, wo die Gebäude der einstigen Ritteracademie bereitstanden.
Dort bekam die neue Landesuniversität – unter der Führung von Daniel de Superville – auch größere Privilegien, wurde am 4. November – mit den Thesen von Markgräfin Wilhelmine – eingeweiht, bekam testamentarisch 1758 Wilhelmines wertvolle Bibliothek und gedieh und existierte weiter, erst als Friedrichs-, dann als Friedrich-Alexander-Universität (FAU Erlangen-Nürnberg) – bis heute.
Eine eigene Universität hat Bayreuth erst wieder seit 1972/75. Und während Erlangen im Jubiläums-Rückblick voller Stolz auf diese Vorgeschichte einging, sah Bayreuth dafür nur wenig Anlass. „Eine Rückbesinnung auf die Friedrichs-Akademie spielte bei der Gründung der modernen Universität Bayreuth keine Rolle“ – damit beschließt Universitätsarchivar Karsten Kühnel 2015 seinen sachkundigen Beitrag in der Festschrift Neue Wege denken.
Zurück zum Poststall
Das Eckgebäude am Jean-Paul-Platz hatte nach 1743 „verschiedene angesehene Besitzer“ . . . wie Justitzrat König um 1800 (in seinem Manuskript 128) berichtet: “ . . . darunter der Geheime Rat und Regierungs-Präsident von Rothkirch, dann der Obermarschall Graf Bose, auch dazwischen manchmal die Herrschaft wieder selbst /Markgraf Friedrich & Markgräfin Wilhelmine nach dem Brand des Alten Schlosses/ bis es endlich der Reichs-Poststallmeister Schmidt erkaufte und seinen Stall darinnen anrichtete.“
All diese interessanten Nutzungen des Gebäudes Friedrichstraße 15, in dem sich heute u.a. Wohnungen, Büros und ein asiatisches Restaurant befinden, sind aber längst in Vergessenheit geraten. Für die Bayreuther ist es einfach „der Poststall“ geblieben, „weil es später im Besitz des Reichspostmeisters Schmidt Station der Reichspost mit eingerichteten Stallungen wurde“ (Karl Hartmann: Geschichte der Stadt Bayreuth, 1949).
Es ist, neben dem Jean-Paul-Haus Friedrichstraße 3-5 und dem Steingraeber-Palais, eins der wenigen Häuser der stolzen Straße, die ein Jahrhundert lang (und bis nach dem 2. Weltkrieg) in Familienbesitz geblieben sind. Bis 1918 diente es (mit Unterbrechungen) Postzwecken. Die Gebäude um den Jean-Paul-Platz wurden im 2. Weltkrieg alle sehr zerstört, die ehemaligen Stallungen wurden zu Autogaragen und Werkstätten, aber an den „königlichen Poststall“ erinnert auch nach dem Wiederaufbau im Hof immer noch ein Wandgemälde mit den königlich-bayerischen Kutschpferden.
Mozarts Bäsle
Eine Gedenktafel an der Toreinfahrt Friedrichstraße 15 erinnert noch an eine andere einstige Berühmtheit, an Maria Anne Thekla Mozart, die Cousine des Komponisten, besser bekannt als „das Bäsle“. Mit ihr wechselte Mozart recht launige, übermütig-witzige und früher als „anstößig“ empfundene Briefe. Wie kam sie nun nach Bayreuth? Ihr Schwiegersohn Franz Joseph Streitel, „königlich-bayerischer Postexpeditor“, wurde hierher versetzt, und daher lebte sie hier noch 27 Jahre bis zu ihrem Tod am 25. Januar 1841 in dessen Dienstwohnung. Den Dichter Jean Paul, der auf der gleichen Straßenseite in Nr. 3-5 wohnte, muss sie noch gekannt haben, und ihr Grab findet man – wie das seine – auf dem Stadtfriedhof.
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* Nach Plänen von Johann Friedrich Grael wurde auch das gegenüberliegende Haus Nr. 12 erbaut (wo Sie weitere Hinweise zur Biografie dieses für die Region bedeutenden Architekten finden).
** Christoph Mader erbaute sich 1760, als er längst zum Hofbaumeister avanciert war, sein eigenes Wohnhaus am Ende der Friedrichstraße (Nr. 20, siehe dort).
*** Johann Anton Meyer (=Vater) begegnet uns auch 1743 als Bauherr des Palais Erlanger Str. 29 (das später an die Reformierte Gemeinde als Kirchenbau überging). 1753 richtete er im barocken Prachtgebäude Maxstr. 17 sein neues Reichspostamt ein. Er kaufte es MG Friedrich ab, als dieser nach dem Brand des Alten Schlosses Immobilien abstoßen musste, um den Bau des Neuen Schlosses finanzieren zu können.
Bitte nicht zu verwechseln mit Johann Gottlob von Meyern (= Sohn, ebenfalls Reichspostmeister), dem wir bei Haus 16 in der Friedrichstraße begegnen und der auch ein Palais am Rennweg (spätere Ludwigstraße) erbaute und bewohnte, das er1753 an MG Friedrich verkaufte, der es durch Hofarchitekt Joseph Saint-Pierre in den (Sammel-)Bau des Neuen Schlosses integrieren ließ.
Text: Karla Fohrbeck
Fotos: Karla Fohrbeck & Eva Rundholz
Literatur
- Engelbrecht, Wilfried: Das Neueste aus Bayreuth. Die Presse im markgräflichen, preußischen und französischen Bayreuth 1736-1810. Ellwanger Verlag. Bayreuth 1993 (darin zur Post- und Posteigeschichte, aber auch zu den „Studentenunruhen“)
- Engelbrecht, Wilfried: Baugeschichte der Bayreuther Lateinschule. In: AO 1997 (Jg.77, S. 237-282)
- Kühnel, Karsten: Die Geschichte der Friedrichs-Akademie Bayreuth, in: Neue Wege denken. 40 Jahre Universität Bayreuth, Bayreuth 2015, S. 22-25
- Müssel, Karl: Die Bayreuther Friedrichsakademie und ihre Studierenden 1742/43 = S. 257-325 in: AO 1992 (72. Band)
- Müssel, Karl: Die Friedrichsakademie (aber auch Lateinschule und Gymnasium illustre Christian Ernestinum) In: Ders.: Bayreuth in
8 Jahrhunderten. Geschichte der Stadt (1993. Gondrom) - Ordnung, Werner: Academia Fridericiana Baruthi –Die erste Universität in der Markgrafschaft Brandenburg-Bayreuth 21. März 1742 –
4. Juli 1743 (Selbstverlag Bayreuth 2013, 39 S. mit Abb. Kt.)