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barocke Prachtbauten & -Strassen
Friedrichstrasse / Jean Paul Platz
Reithalle – Stadthalle – Friedrichsforum
Bei einem Spaziergang durch die Friedrichstraße umrundet man automatisch den Jean-Paul-Platz, zu Markgraf Friedrichs Zeiten der Paradeplatz, der die sogenannte Rennbahn vor dem Neuen Schloss (heute Ludwigstraße) prominent abschloss. Eine solche Pferde-Rennbahn existierte dort schon seit 1626, als Markgraf Christian (1581/1603-1655) seine Residenz noch im Alten Schloss hatte.
Die ehemalige Reithalle und – bis 2017 – Stadthalle hat offiziell die Hausnummer Ludwigstraße 31, dominiert aber den Jean-Paul-Platz. Das Gebäude wurde 1747/48 von Hofarchitekt Joseph Saint-Pierre erbaut, dem wir schon bei Hausnummer 2 (Steingraeber-Haus) begegnet sind und der u.a. auch für das Opernhaus, das Neue Schloss und die Spitalkirche verantwortlich zeichnete.
Ein neues Festspielhaus? –
das
1962/64 wurde die einstige Reit- und (seit 1935/36) Ludwig-Siebert-Festhalle zur Stadthalle umgebaut – wieder nach Plänen des Architekten Hans C. Reissinger, der im Dritten Reich mit verschiedenen Planungsentwürfen für die Gauhauptstadt Bayreuth betraut war. Die Wiedereinweihung erfolgte am 21. 1. 1965. Sie diente viele Jahrzehnte als kulturelles Zentrum für Bälle, Theater-, Konzert-, Fest- und Vortrags-Veranstaltungen, gelegentlich auch als Ersatz für ein fehlendes Kongresszentrum.
2017 begannen die Umbau- und Modernisierungsmaßnahmen, die auch die Parksituation am Geißmarkt einschließen. Während die Stadthalle bisher Bühne für „eine Vielzahl von Veranstaltern als Mieter und Programmgestalter“ war, steht das neue Friedrichsforum künftig für einen „künstlerisch geplanten Gastspielbetrieb in Trägerschaft der Stadt“. Das Multifunktionshaus soll – so das Nutzungskonzept vom 4.3.2021 – „ein echtes kulturelles Zentrum für Bayreuth und die Region werden… mit großer Bandbreite von Sub- bis Hochkultur.“
Großer Saal (mit moderner Bühnenausstattung und bis zu 800 Plätzen), Balkonsaal, Kleines Haus, Gartensaal, Foyer und Wandelhalle sind nach dem Umbau durchaus noch wiederzuerkennen. Die enorme Kostenexplosion, Lieferengpässe und die Diskussion um Trägerschaft und künftige Personalausstattung verzögerten jedoch die immer wieder hinausgeschobene Eröffnung. Sie ist derzeit für den 5.10.2024 angesetzt. Save the Date!
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Zurück zur einstigen Reithalle
Der einfache große Bau bestand höchstens 12 Jahre in seiner ursprünglichen Gestalt. 1761 (7 Jahre nach dem Tod von Saint-Pierre und zwei Jahre vor dem Tod von Markgraf Friedrich) wurde das Gebäude verlängert und aufgestockt, um ein kleines französisches Theater aufnehmen zu können. Der Bau passte sich somit den übrigen Häusern am Platz harmonisch an, mit Obergeschoss und Mansarddach. Die Fenster im Erdgeschoss waren von jeher blind, die im Obergeschoss hatten – wie beim gegenüberliegenden ehemaligen Katholischen Pfarrhaus – stichbogige Rahmen. Ein schmuckloses Rundbogentor mit flacher Rampe öffnete sich zum Paradeplatz.
Ornamentik und Trophäenschmuck*
Dafür weist das hohe Rundbogenportal an der Seitenfront einen architektonischen und plastischen (relativen) Reichtum auf, den man dort nicht vermuten würde. Dem Neuen Schloss, der Rennbahn und damit dem markgräflichen Hof lag es einfach näher und wurde daher in der Praxis wohl als Hauptportal genutzt.
Dieses Rokoko-Portal zur Ludwigstraße hin hat der Bildhauer Johann Jeremias Martini (1710–1760) gestaltet. Die Darstellung in der Rocaille-Kartusche über dem Torbogen mit Jagdtrophäen verweist auf die Reiter bzw. Reitersoldaten, welche die Halle und die Rennbahn vor dem Neuen Schloss zum Reiten benutzten. Martini ist auch der Schöpfer des in der Nähe befindlichen Trophäenbrunnens, der ursprünglich die Mitte des Paradeplatzes schmückte (siehe Thema Brunnen).
1785/6 – noch zur Zeit von Markgraf Alexander (1769-1791) – wurde dort ein zweites, kleineres Theater mit Bühne eingebaut, das mit zwei Öfen beheizt werden konnte. Dieses diente im 19. Jh. als Depot für die Pferde-Requisiten.
Die ehemaligen Reitstallungen am Geißmarkt*
Noch in der Markgrafenzeit wurden auf dem späteren Geißmarkt Remisen und Pferdeställe errichtet. Diese Stallungen und die Eckpavillons dazu wurden in Sandsteinarchitektur errichtet und boten Platz für Pferde, Wagenremisen und ausreichend Vorräte an Heu und Stroh. In den Plänen wurden sie später als Chevauxlegers-Stallungen oder wegen ihrer Grundrissform auch als Kreuzstallungen bezeichnet. Sie wurden ab 1792 unter preußischer Herrschaft von den Bayreuth-Ansbach-Dragonern bezogen und später von der Leichten Kavallerie der Chevauxlegers-Kaserne am Geißmarkt genutzt. 1920–1928 waren in den Stallungen auch die Bauhofpferde der Stadt untergebracht.
(Zum 1749 erbauten Eckhaus des markgräflichen Oberstallmeisters, der um die 100 Mitarbeiter beaufsichtigte, siehe Hausnr. 19 in der Friedrichstraße. Dort finden Sie auch einen historischen Aufriss dazu).
Die Reithalle im Dritten Reich
Vor Beginn des 3. Reiches war die Reithalle überwiegend als Lager verwendet worden. Die Stadt Bayreuth kaufte 1933 den Gebäudekomplex. Da man die „Kreuzstallungen“ (auf dem Geißmarkt) nicht mehr benötigte und sie eher als „Schandfleck“ betrachtete, wurden sie 1934 abgebrochen und durch neue Flügelbauten ein großer Aufmarschplatz geschaffen. Die Halle wurde nach Plänen des Bayreuther Architekten Hans C. Reissinger in Zusammenarbeit mit Oberstadtbaurat Hans Schmitz zur Ludwig-Siebert-Festhalle umgestaltet. Sie fasste (bestuhlt) 2000 Besucher (1200 unten und 800 auf den Emporen), konnte aber für Versammlungen bis zu 3000 Personen Platz bieten. Die drei Reliefsteine über dem neuen Vorbau (Eingangsbereich im Westen) stellen die allegorischen Figuren für Tragödie, Wehr und Musik dar. 1936 wurde die sogenannte Sieberthalle eingeweiht, wobei man die Wandelhalle mit Bronzebüsten von (Gauleiter und Bayer. Kultusminister) Hans Schemm, von Richard Wagner, Franz Liszt, H. St. Chamberlain und Jean Paul schmückte. 1938 ergänzte man die Reihe noch um eine Büste von Cosima Wagner.
Damit war, so die frühere Direktorin des Historischen Museums Bayreuth Sylvia Habermann im Rückblick, „die Keimzelle für die Planungen des so genannten Gauforums“ geschaffen. Es sollte sich östlich der Friedrichstraße ausbreiten und „dem Aufmarsch und der Versammlung Tausender“ sowie der „Selbstdarstellung des Regimes“ dienen. Architekt dieses Gesamtentwurfs war auch hier Hitlers in Bayreuth bevorzugter Architekt Hans Reissinger. 1933/35 hatte er sich schon mit dem monströsen „Haus der deutschen Erziehung“ am Luitpoldplatz profiliert. Ein Modell des Gauforums (von 1939) ist im Historischen Museum Bayreuth aufgestellt. Der Ausbruch des 2. Weltkrieges verhinderte die Realisierung. Am 8. April 1945 wurde die Sieberthalle durch Bomben bis auf die Außenmauern zerstört.
(Ludwig Siebert, bayerischer Ministerpräsident und Ehrenbürger der Stadt Bayreuth**).
Das Stadtarchiv Bayreuth verfügt über die Broschüre zur Einweihung der Sieberthalle 1936 und das, was Architekt
H. C. Reissinger darüber selbst geschrieben hat.
Text und Fotos: Karla Fohrbeck auf Basis der im Vorspann zitierten Quellen.