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barocke Prachtbauten & -Strassen
Kanzleistraße 7
Risalit 2
Das Kanzleigebäude Risalit 2 entstand 1737 unter Markgraf Friedrich (Regierungszeit 1735-1763), erbaut von Hofbaudirektor Friedrich Jakob Grael (1707-1740). Er kam 1735 zum Regierungsantritt des Markgrafen aus Brandenburg-Preußen nach Bayreuth, ist hier für die Pläne des Jagdschlosses in Kaiserhammer, der Stiftskirche St. Georgen, der Spitalkirche in Kulmbach (mit)verantwortlich. Er baut 1738 in Altenplos auch das Schloss für den Freiherrn von Stein. 1739 wird er allerdings schwer krank und stirbt 1740 noch sehr jung.
Zur Straßenseite weist Risalit 2 (Gebäudevorsprung) – wie später auch Risalit 4 – über dem 1. mittleren Obergeschossfenster eine Sandstein-Kartusche mit Groß-Monogramm auf, der vergoldeten Initiale des Bauherrn, hier also F = Friedrich.
Darüber weisen ein Löwenkopf und links eine herunterhängende Löwenpranke, darunter ein Tierschädel darauf hin, mit wem man es hier zu tun hat – einem seiner Verantwortung und Macht bewussten Fürsten. Die Kartusche wurde um 1740 von Hofbildhauer Johann Jeremias Martini (1710-1760) geschaffen, so vermutet jedenfalls August Gebessler in seinem kunstgeschichtlichen Standardwerk zu Stadt und Landkreis Bayreuth (1959). Diese Zuschreibung wird seitdem in der Literatur übernommen. Dafür spricht, dass Martini 1743/44 auch den Kanzel-Orgel-Altar in der Stiftskirche St. Georgen gestaltete, für die F. J. Grael ebenfalls der Architekt war.
Vom Künstler Martini stammen auch die beiden allegorischen Sandsteinfiguren über dem Portal auf den Giebelschrägen:
- links die Temperantia = Mäßigung, Selbstbeherrschung, Besonnenheit, Disziplin, im Fürstenspiegel auch Aufforderung an den Regenten, das Volk streng zu regieren
- rechts die Fortitudo = Tapferkeit, Mut, Kühnheit, Unerschrockenheit.
Beide Figuren sind weiblich und stellen 2 der 4 platonischen Kardinaltugenden dar, die als Grundtugenden zum politischen Führungs-Selbstverständnis des Markgrafen gehörten. Sie ergänzen somit die Figuren des älteren Portals III mit den anderen beiden Kardinaltugenden seit Platon (und Aristoteles), nämlich Prudentia (Klugheit) und Justitia (Gerechtigkeit).
August Gebessler verweist außerdem auf die schlichte Stuck-Felderung in beiden Obergeschossen des Treppenhauses sowie auf die Stuckdecke in Zimmer Nr.158 mit reich figuriertem Rocaille-Dekor und Putten, „wohl von Hofstukkateur Jean Baptiste Pedrozzi (um 1750)“, ebenso auf die Stuck-Felderung der Zimmerdecken in Nr. 161 und 162.
Textredaktion & Fotos: Dr. Karla Fohrbeck