Entdecke
barocke Prachtbauten & -Strassen
Kanzleistraße 7
Risalit 4 = TOR IV
Dieser zeitlich gesehen 3. Gebäudetrakt wurde 1786 unter Markgraf Alexander errichtet, dessen Regierungszeit im Bayreuther Markgraftum den Zeitraum 1769-1791 umfasst. Die Pläne dafür stammen vom erprobten Bayreuther Hofarchitekten Johann Gottlieb Riedel (1722-1791). Er war noch unter Markgraf Friedrich 1762 nach Bayreuth berufen worden, flankierte dort bis 1771 den langjährigen Leitenden Hofbauarchitekten J. R. Heinrich Richter und ist seitdem für Markgraf Alexander und seine Architekturpläne im Markgraftum Bayreuth ein wichtiger Partner.
So wurde J.G. Riedel als Leiter des fürstlichen Bauamts schon 1770/71 von diesem beim vorbildlichen Wiederaufbau von Weidenberg nach dem großen Brand eingesetzt und 1782/83 für den Bau von Schloss Alexandersbad. Er begegnet uns auch wiederholt als Hofarchitekt von Markgrafenkirchen, so 1779-1781 bei der Friedhofskirche in Bayreuth, als Bauleiter der sich bis 1782 hinziehenden Realisierung der St. Bartholomäus-Kirche in Bindlach, 1783/84 bei der Pfarrkirche Birk oder 1781 beim Entwurf des klassizistischen Kanzelaltars in St. Michael Weidenberg. Auch die Pläne für die letzte große Kirche im Markgrafenstil in Bad Berneck, 1796 – schon unter preußischer Regierung – stammen von ihm.
Das TOR IV dient heute der Ein- und Ausfahrt zum/vom Innenhofbereich der Regierung von Oberfranken. Auf der Innenhofseite, wenn Sie durch die Toreinfahrt hindurchgehen und dann nach oben schauen, können Sie über dem Sandsteinbogen ein Sandstein-Doppelwappen mit einer Inschrift entdecken – und entziffern:
VERBUM DOMINI
MANET IN AETERNU
= Das Wort des Herrn
bleibt in Ewigkeit
Darunter C W und die Zahl 1572. Franz Simon Meyer vermutet „Der Stein könnte aus einem Vorgängerbau stammen, der in den Neubau der Kanzleigebäude integriert wurde“. August Gebessler vermutet, dass die seitlich vermauerten Rundbögen von den ehemaligen Hofarkaden stammen könnten.
Zur Straßenseite weist Risalit 4 (Gebäudevorsprung) – wie bei Risalit 2 – über dem 1. mittleren Obergeschossfenster eine große Sandstein-Kartusche mit der vergoldeten Initiale des Bauherrn auf, hier A = Markgraf (Christian Friedrich Carl) Alexander (Regierungszeit im Bayreuther Markgraftum 1769-1791). Der Markgraf wollte hier seinem Vorgänger, Markgraf Friedrich, nicht nachstehen.
Auch hier weisen über dem Groß-Monogramm ein Löwenkopf und links eine herunterhängende Löwenpranke, darunter ein Tierschädel darauf hin, mit wem man es hier zu tun hat – einem seiner Verantwortung und Macht bewussten Fürsten. Die Kartusche wurde 1787 von Hofbildhauer Franz Peter Schuh (1734-1803) geschaffen.
Vom selben Künstler stammen aus diesem Jahr auch die beiden allegorischen Sandsteinfiguren über dem Portal auf den Giebelschrägen
- links die gepanzerte Athena/Minerva mit dem Medusa- oder Gorgonen-Schild und einer Eule
- rechts Ares/Mars mit Helm, Schwert und Schild sowie einem Wolf.
Sie verkörpern Kriegs- und Führungs-Tugenden, außerdem Weisheit und Schutz der Polis (Stadt) und fassen im Rückgriff auf die griechisch-römische Mythologie die 4 politischen Kardinaltugenden auf den älteren Risalit-Portalen 3 und 2 im Gleichnis-Bild der beiden Göttergestalten noch einmal zusammen. Franz Peter Schuh begegnen wir übrigens auch bei den Markgrafenkirchen immer wieder, auch als Holzbildhauer und -gestalter von Kanzelaltären, Wappen und Taufbecken.
Von der lateinischen Inschrift über dem Portal gibt es eine Übersetzung und Zusatzhinweise von Helmut Haas:
Bauinschrift über Tor IV an der Kanzleistraße von 1787
Maße ca.: h 35 b 150 Bu.3 /Marmor | Schrift: Kapitalis, eingehauen
FELIX ET SERAE POSTERITATI MEMORABILE SECVLVM SERENISS. CHRISTIANI
FRIDERICI CAROLI ALEXANDRI INTER ALIA IMMORTALITATIS OPERA
HANC SINISTRAM CANCELLARIAE ALAM CONDIDIT MODERANTE REIPVBLICAE
CLAVVM ILLVSTRISS. FRIDERICO CAROLO L.B. DE SEKENDORF CVRANTE
INCLITO VIRORVM AD AEDILITATEM DELECTORVM ORDINE IN NEGOTIORVM
PVBLICORVM COMMODVM IN VRBIS ORNAMENTVM SVMPTIBVS AERARIO_
RVM PRINCIPIS ANNO MDCCLXXXVII FELICITER EXSTRVCTAM
Kürzungen bei: SERENISSimi, ILLVSTRISSimo, Libero Barone
Besonderheit: AN DE kleiner als Resttext, Namen und Titel größer
Übersetzung:
Das glückliche und für die spätere Nachwelt bemerkenswerte Jahrhundert des durchlauchtigsten Christian
Friederich Carl Alexander hat unter anderen Unsterblichkeitswerken
diesen linken Flügel der Kanzlei entstehen lassen, als das Staats-
ruder der berühmte Friedrich Karl Freiherr von Seckendorf innehatte,
unter der Aufsicht einer löblichen Kommission zur Bauverwaltung
bestallter Männer zum Nutzen der öffentlichen
Aufgaben, zur Zierde der Stadt auf Kosten der Kasse
des Fürsten im Jahr 1787 glücklich erbaut.
(Aus: Helmut Haas, Bauinschriften der Stadt Bayreuth bis zum Jahr 1899. Maschinengeschriebenes Manuskript o.J. (1998), S. 52, s. auch: Archiv für Oberfranken = AO Bd. 73, 1993, S. 336f.)
Textredaktion & Fotos: Dr. Karla Fohrbeck