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barocke Prachtbauten & -Strassen
Bayreuth – Opernstraße 2 & 6
Hotel Goldener Anker
Das einladende blumengeschmückte dreigeschossige Traufseithaus mit seinen elf Obergeschoss-Achsen entstand um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Es hat durch den UNESCO Welterbe-Status des Markgräflichen Opernhauses in der unmittelbaren Nachbarschaft natürlich an Renommée gewonnen. Aber auf das Renommée einer Hoteltradition am Opernhaus konnte man dort – nicht nur wegen der Festspielgäste – auch vorher schon stolz sein. Denn das Traditionshotel kann auf eine 350 Jahre alte Familiengeschichte zurückblicken.
Der Hotel- und Restaurantbetrieb Goldener Anker – denkmalgeschützt, vielfach umgebaut und daher Zeuge mehrere Epochen – ist herausgewachsen aus der Funktion einer Metzgerei, die im einstigen Handwerkerviertel ihren integralen Platz hatte. Das Spektrum erweiterte sich um eine Garküche zur Gastwirtschaft und schließlich zur angesehenen Hotellerie. Heute gehört der Goldene Anker trotz aller Umbauten zu den barocken Prachtgebäuden der Stadt. Mit Blick auf diese lange Tradition heißen die Mitarbeiter /innen des Hauses ihre Gäste in historisch anmutenden Uniformen willkommen.
Nur das benachbarte fränkisch-urige Wirtshaus Wolffenzacher am Sternplatz (benannt nach dem Bäckermeister Johann Zacharias Wolff) kann auf eine ähnlich lange Gastronomie-geschichte verweisen, denn hier existierten schon Mitte des 17. Jahrhunderts Wirtsstuben und im 19. Jahrhundert ein Beckenbräu.
Schlussstein von 1753
Wer die Hausfront genauer betrachtet, dem fällt im Scheitel des Torbogens ein dekorativer Schlussstein auf mit der Jahreszahl 1753 und den Initialen J.G.K. Manche Quellen interpretieren dies als Baujahr. Nach dem Rissebuch-Eintrag im Stadtarchiv wurde jedoch das alte Gebäude, das seit Ende des 17. Jahrhunderts im Eigentum der Familie Köhler war und von dem auch der ältere Gewölbekeller noch zeugt, erst 1754 abgebrochen und danach das neue repräsentative errichtet. Mag sein, dass der „Bürger und Fleischhauer“ Johann Georg Köhler in diesem für ihn entscheidenden Jahr den Baubeschluss fasste, mag sein, dass er in diesem Jahr 1753 auch schon die offizielle Baugenehmigung vom Hofbauamt erhielt . . . Wir überlassen es künftigen Historiker-Generationen, diesem rätselhaften Widerspruch weiter nachzuforschen.
1753/1754 ist jedenfalls in Bayreuth eine Zeit großer markgräflicher Bautätigkeit, nachdem das Alte Schloss abgebrannt war und man mit dessen Wiederaufbau sowie der Errichtung des Neuen Schlosses befasst war. So liegt es nahe, dass das Hofbauamt – wie auch in der Friedrichstraße – die Vollendung der repräsentativen Gebäude in der Straßenfront neben dem Opernhaus überwachte und unterstützte. In der mündlichen Familienüberlieferung der Hotelfamilie glaubt man sich zu erinnern, dass damals sogar ein Teil der Sandsteine durch die markgräfliche Familie bzw. das Hofbauamt gestiftet wurde, damit die bürgerliche Metzgerfamilie Köhler diesem Anspruch gerecht werden konnte.
Das Wappen über dem Scheitelstein im Torbogen ist nicht aus der Barockzeit. Hier handelt es sich um das von Ernst Ludwig, dem Großherzog von Hessen bei Rhein (1868 bis 1937), für den Familie Köhler Hoflieferant und über lange Zeit Gastgeber war (siehe das Gästebuch unten).
Die Familientradition ist älter . . .
Das Grundstück, auf dem das Hotel Goldener Anker steht, gehörte einst zum mittelalterlichen Handwerkerviertel. In den schriftlichen Quellen wird hier zum ersten Mal für das Jahr 1481 ein Gebäude erwähnt. Vereinzelt sind für die Folgezeit immerhin die Berufe der Steuerzahler überliefert. Damit kommen wir der heutigen Nutzung des Areals schon nahe – nicht des eigentlichen Hauses, denn das brannte bereits 1533 ab, also vor den beiden Feuersbrünsten des frühen 17. Jahrhunderts. Vor 1621 bis 1661 lebten hier jedenfalls Büttner.
Nun aber kommen wir in die Zeit, in der sich die Familie Köhler hier ansiedelt, deren Nachfahren – die Familie Graf – auch heute noch den Goldenen Anker besitzen. Denn irgendwann vor 1676 erwirbt der Metzger Albrecht Köhler das Haus, das – so vermutet Hans Vollet 1958 in einem Beitrag im Archiv von Oberfranken – 1668 neu erbaut worden war, also etwa in der Zeit, in der auch das Obere Tor festungsartig erweitert wurde. Wir wissen zumindest, dass die Metzgerei auch 1698 noch zum Haus gehörte, denn aus diesem Jahr datiert der nächste erhaltene Eintrag im Stadtsteuerregister. Um 1739 ist dann wieder ein Name aus gleicher Familie nachweisbar: Georg Adam Köhler. Und 14 Jahre später, nämlich 1753, verweisen die Initialen auf dem Scheitelstein im Torbogen an der Hotelfassade auf einen anderen Köhler: JGK = Johann Georg Köhler (1708-1792).
Es ist in dieser Zeit üblich gewesen, als Metzger auch eine Garküche zu betreiben, in der man Gäste bewirtete. Hinweise auf ein Gastwirtschaftsprivileg vor 1839 gibt es jedenfalls nicht. Aber der Sohn Johann Caspar Köhler (1741-1808) wird in den Verzeichnissen immerhin schon als „freier Bürger, Fleischhauer und Gastgeber“ geführt – und musste sich natürlich neben anderen Häusern im Viertel am Oberen Tor behaupten. Der Chronist Johann Sebastian König spricht in seiner „Beschreibung der Straßen und Häuser der Stadt Bayreuth“ von ca. 1792 nur einfach vom „Mezger Köhler“.
. . . ein Hotel „Goldener Anker“ gab es schon
Aber wir haben es im 18. Jahrhundert in der Opernstraße noch keineswegs mit dem heutigen Goldenen Anker zu tun. Ein Haus dieses Namens wurde nämlich 1761 am benachbarten Rennweg erbaut, der heutigen Richard-Wagner-Straße 4. Der „Traiteur“ Georg Walther bekam hierfür das Gastwirtschaftsprivileg verliehen. Der nächste Besitzer ist dort erst für 1811 überliefert: Johann Gottlieb Schaller, der dem Haus zuvor als Kellner gedient hatte, wurde Wirt und verheiratete sich mit der Tochter Sophia des vorherigen Besitzers Johann Christoph Strauch. In diesem Hause, dem alten L’ancre d’or, waren knapp 20 Jahre zuvor die beiden Studenten und Dichter Johann Heinrich Wackenroder und Ludwig Tieck auf ihrer berühmt gewordenen Fränkischen Reise abgestiegen.
Mit diesem alten Goldenen Anker im Rennweg war allerdings 1839 Schluss. Denn Metzgermeister und Garkoch Wilhelm Köhler kaufte die dortige Konzession zur Gast- und Schildgerechtigkeit. Damit war er befugt, den Namen seinem eigenen Gasthaus in der Opernstr. 6 zu übertragen und Fremde mit eigenem Gespann bewirten zu dürfen. Die namengebende Figur, die am alten Goldenen Anker angebracht war, hat er dabei nicht mitgenommen. 1855 erhielt Wilhelm Köhler auch die Konzession zur Lohnrößlerei. 1858 wird dann das Gesuch gestellt, das Wohnhaus aufzustocken und eine Kutscherstube, ein Waschhaus sowie einen Stall im Hinterhof anzubauen. Wo sich heute der Eingang und die Rezeption befinden, war damals die Kutschdurchfahrt, denn inzwischen durfte man im Haus auch Pferde wechseln. Im „Hausnummernbüchlein des Stadtbezirks Bayreuth…“ aus dem Jahr 1866 findet sich erstmals die Bezeichnung „Hotelier zum Goldenen Anker“ für Wilhelm Köhler (im Verzeichnis aus dem Jahr 1858 heißt es noch „Gastwirth“).
. . . die Opernstraße 2 kam erst später dazu
In der Opernstraße 2 befand sich schon vor 1676 unter dem Gastwirt Christian Daniel Tripß der Gasthof Zur Traube. Der Bayreuther Chronist Johann Sebastian König bemerkte am Ende des 18. Jahrhunderts, dass dieses „ansehnliche dreigädige Haus“ von „Einheimischen und Fremden“ besucht wurde, ja: Es diente später sogar als Vergnügungsstätte, da unter Markgraf Friedrich Christian (der nach dem Tod Markgraf Friedrichs von 1763-1769 regierte) ein großer Saal mit Galerie gebaut worden war, in dem nicht nur „Privat-Maskeraden, Hochzeitsmähler und einige Zeit das Liebhaber-Musikkonzert gehalten worden, sondern auch reisende Schauspieler und Künstler auf einem kleinen, darinnen errichteten Theater ihre Stücke aufführten“. Die Opernstr. 2 wurde von der Familie Köhler im Jahr 1858 erworben und ist seitdem Bestandteil des Hotel-Ensembles Goldener Anker.
Nostalgie mit Augenzwinkern
Es ist schwer, sich heute noch ein reales Bild von der historischen Fassade des Gebäudekomplexes in der Opernstraße zu machen. Die älteste erhaltene Ansicht, eine kolorierte Zeichnung, entstand erst 1860 (Abbildung: Bernd Meyer Stiftung). Ein unbekannter Zeichner hat damals das Eckhaus neben der Gastwirtschaft Wolffenzacher am heutigen Sternplatz festgehalten, freilich in einer seltsamen, um 90 Grad gedrehten Wendung, mit einem Tor auf der rechten Seite der Fassade. Alle nummerierten Figuren waren bekannt und wurden „benamt“, also eine humorvolle Skizze für Insider und „Eingeborene“…und natürlich mit Pferdekutsche, denn an der Einmündung zur Maxstraße warteten traditionell die Pferdekutschen und „der Stern“ hieß bis 1940 offiziell auch noch „Kutscherplatz“.
Man entdeckt auf der Illustration, dass inzwischen das einstige Gasthaus Zur Goldenen Traube (= Opernstraße 2) dem jetzigen Goldenen Anker (= Opernstraße 6) eingegliedert wurde, wie es auch heute noch in den Obergeschossen zu erkennen ist. 1871 erforderte ein Brand weitere Umbauten. 1927 wurden schließlich die Fassade des Haupthauses (insbesondere die Erdgeschossfenster) sowie die inneren Räume im Erdgeschoss (insbesondere der Salon und die beiden Gasträume) modernisiert – mit Stilelementen des damals modernen art déco(ratif).
Ins sehenswerte Gästebuch haben sich viele bekannte Persönlichkeiten eingetragen. Auf dem Foto von 1930 sitzen mehrere Mitglieder des hessischen Fürstenhauses einträchtig auf der Bank vorm Goldenen Anker und Großherzog Ernst Ludwig von Hessen bekennt dort gegen Ende der „Goldenen Zwanziger“: „Seit 1886 immer im Anker gelebt, ausgenommen 1924 u.1926.“
Text: Dr. Karla Fohrbeck & Dr. Frank Piontek
Der Dank für wesentliche Recherchen, Korrekturen und Ergänzungen geht insbesondere an Christine Bartholomäus und Walther Bartl (Stadtarchiv Bayreuth), an Eva Graf (Hotel Goldener Anker) und Dr. Alexandra Siemen-Butz, deren „Geschichte des Goldenen Anker“ 2020 als Dokumentation erscheint.
Fotos: Eva Graf, Karla Fohrbeck, Frank Piontek