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Ordensschloss St. Georgen

Georg Wilhelm als Bauherr

Wer an der heutigen Justizvollzugsanstalt in der verkehrsreichen Bernecker Str. 7-9 vorbeifährt oder – geht, kommt nicht unbedingt auf den Gedanken, dass dieses dunkel geschwärzte Sandsteingebäude einst markgräfliche (Neben-)Residenz und Kopf der kleinen barocken Planstadt St. Georgen war, von ausgedehnten geometrischen Gartenanlagen umgeben und an einem See gelegen. Es war und blieb das größte der Schlösser des Erbprinzen und späteren Markgrafen Georg Wilhelm (1678/1712-1726).

Für seine andere Leidenschaft, die Jagd, ließ er ab 1715 die Jagdschlösser Falkenhaube und Thiergarten sowie das Markgräfliche Forsthaus in Neustädtlein erbauen, das des Vaters in Kaiserhammer im Fichtelgebirge baute er weiter aus. Das Alte Schloss in der Eremitage dagegen war als refugio, als Rückzugsort gedacht und hatte seine exoterische wie auch esoterische Seite als markgräfliche „Einsiedelei“. Auch die erste markgräfliche Redoute in der Opernstraße und die Fertigstellung des sogenannten Prinzenbaus am alten Kloster in Himmelkron (mit sehenswertem „Roter Adler-Saal“) gingen auf ihn als Bauherrn zurück.

Baugeschichte

Georg Wilhelm war noch Erbprinz, als er sich 1695 das Südufer des Brandenburger Sees für sein künftiges „Lustschloss“ erwählte. Kleinere Holzhäuser und später ein Fachwerkgebäude waren die Vorläufer. Aber 1701/2–1707 entstand die erste Version eines repräsentativen Ordensschlosses – mit offizieller Genehmigung des markgräflichen Vaters Christian Ernst (1644/1661-1712), der sich auf seine militärischen Verpflichtungen im kaiserlichen Feldlager und den Ausbau der Hugenottenstadt Erlangen konzentrierte, und nach Plänen von dessen Hofarchitekt Antonio della Porta (um 1630-1702).

Der Erbprinz hatte 1699 die 15jährige Sophie von Sachsen-Weißenfels geheiratet, im Januar 1701 kam Tochter Christiane Sophie Wilhelmine zur Welt, es war also Zeit, sich „zu etablieren“, auch wenn es noch dauern sollte bis er selber Markgraf wurde (erst 1712). Aber als General musste er mit den kaiserlichen Truppen in den Sommermonaten 1702 die Festung Landau in der Pfalz verteidigen. Seine Mutter Sophie Louise von Württemberg übernahm daher in dieser Anfangszeit die Bauaufsicht und korrespondierte mit ihm. Und seine junge Frau ließ sich in der zeitgleich gegründeten Planstadt St. Georgen schon einmal ein „Stadthaus“ mit Garten bauen (heute die Hausnr. 29), ein paar Schritte vom künftigen Schloss entfernt und rascher zu bewerkstelligen als dieses große Vorhaben.

1702 starben Hofarchitekt della Porta (im Juli) und Georg Wilhelms Mutter (im Oktober). Er selbst kam schwer verwundet vom Feldlager zurück. Die Baufortschritte verzögerten sich. Die Bauleitung hatten ab da Johann Cadusch und Maurermeister Johann Jacob Weiß.

Abbildung: Markgraf Georg Wilhelm mit dem Roter Adler-Orden
Historisches Museum Bayreuth

Info-Box

Zu Markgraf Georg Wilhelms Leben und reicher Bautätigkeit gibt es spannende Beiträge auf dieser Webseite unter verschiedenen Themen:

St. Georgen am See (Thema Gärten und Parks, in Arbeit)
St. Georgen Planstadt (Thema Prachtbauten/Prachtstraßen, in Arbeit)
Jagdschlösser und Forsthäuser
Himmelkron Prinzenbau & Roter Adler-Saal (Thema Schlösser)
Himmelkron Kanzelaltar (Thema Markgrafenkirchen)
Roter Adler Orden (in Arbeit)
Markgrafen-Biographien

Vom ersten Schloss ist wenig erhalten  . . .

1695 wird in den Archivalien am Südufer des Brandenburger Weyers als Vorläufer zum späteren Schloss ein dreiteiliger Holzbau erwähnt, den der 17jährige Erbprinz als „Schloss“ nutzt. An anderer Stelle heißt es „ein Holzbau mit 3 durch vertäfelte Gänge verbundenen Wohnungen“ oder es wird in den Quellen auf einfache Holzhäuser oder „ein Schloss nur aus Holz“ verwiesen.

Im Juli 1701 – der 22 jährige Georg Wilhelm ist inzwischen verheiratet, Vater und General – wird der Grundstein für einen dreiteiligen Massivbau gelegt, in dem aber– den Handwerker- und Materiallisten zufolge – immer noch sehr viel Holz verarbeitet wird, so dass in manchen Berichten eine Fachwerkbauweise vermutet wird. 1707 ist das repräsentative Schloss als Zentrum der wachsenden „idealen Barockstadt St. Georgen am See“ bezugsfertig und erfüllt bis 1723 seinen Zweck – bis 1712 als Residenz des Erbprinzen, danach als Nebenresidenz des Markgrafen Georg Wilhelm. Über all die Jahre blieb es Mittelpunkt von Festivitäten und theatralischen See-Inszenierungen, vor allem aber der jährlichen Treffen der Ordensritter im damals schon über 2 Geschosse reichenden großen Kapitelsaal.

Der schöne kolorierte (anonyme) Kupferstich von etwa 1710 (Bernd-Mayer-Stiftung, Bayreuth) scheint den Tatsachen relativ nahe zu kommen, der künstlerisch wertvolle J.A. Delsenbach-Kupferstich von 1712/14 ( Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, nach einer Federzeichnung von Hofarchitekt Paul Decker) eher eine „idealisierte Planstadt mit Schloss“ abzubilden. Wir zeigen von beiden Kupferstichen hier nur den Ausschnitt mit dem Schloss.

Helmut Haas versucht daher 2014 in seinem AO-Beitrag zu den Bayreuther Schlössern eine schematische Darstellung der drei frei stehenden Schlossgebäude, die durch eine Substruktur (im durchgehenden Sockelgeschoss) miteinander verbunden waren, „mit nördlich zum See hin kleineren und südlich größeren Garten“

Üb immer Treu und Redlichkeit  –  Der Rote Adler-Orden

Wir werden diesem spannenden Thema, das so viele unserer Markgrafen betrifft, später einen eigenen größeren Beitrag widmen.

In ganz Europa spielten Ritter- und Hausorden seit dem Mittelalter eine wichtige Rolle, im networking – wie man heute sagen würde -, als Belohnungssystem, zwecks Repräsentation, aber auch – vor allem nach den Kriegen des 17. Jh. – als Vertrauensgemeinschaft. Nicht mehr der gemeinsame Feind schweißte zusammen, in der beginnenden Friedenspolitik versuchte man solche Bündnisse auf der Basis gemeinsamer Werte aufzubauen. Das Deckengemälde im Kapitelsaal des Ordensschlosses zeigt links die Kriegs-, rechts die Friedensallegorie.

Im Bayreuther Markgraftum übernimmt hier der Rote Adler-Orden, der l’aigle rouge, diese Rolle. Als zweithöchster preußischer Orden – nach dem Schwarzen AdlerOrden – blieb er auch nach dem Ende des Markgraftums 1791/2 bedeutend und wird sogar heute noch bzw. wieder verliehen.

Als Wappen lässt sich der brandenburgisch-preußische Rote Adler außerdem an bzw. in allen bedeutenden markgräflichen Bauwerken des 18. Jh. auffinden – in Ergänzung zum Hohenzollern-Wappen und den jeweiligen Markgrafen-Initialen.

Markgraf Georg Wilhelm
& der Ordre de la sincérité

Georg Friedrichs Vater, MG Christian Ernst, hatte von Jugend an seinen eigenen Hausorden, den Ordre de la concorde (der Eintracht), dessen Statuten er noch 1710 aktualisierte.
Auf seiner Kavaliers- und Bildungstour hatten den 17jährigen Erbprinzen Georg Wilhelm außerdem in England – bei Wilhelm von Oranien auf Schloss Windsor – die Idee und das Zeremoniell des dortigen Hosenbandordens beeindruckt. Der englische Nationalheilige St. Georg – auch Georg Wilhelms Namensgeber – war dessen Patron.

Bereits zwischen 1699 und 1705 hatte Erbprinz Georg Wilhelm an Männer seines Vertrauens eine Auszeichnung verliehen, den sogenannten ‚kleinen Orden‘ einen goldenen Stern, zitiert Rainer Trübsbach (1994).

1705 jedenfalls gründet Georg Wilhelm in St. Georgen seinen eigenen „Orden der Aufrichtigkeit“, in dem der brandenburgische Rote Adler ein zentrales Emblem bildet. Am 16.November dieses Jahres, an seinem 27. Geburtstag, unterzeichnet er dort die Statuten für diesen Ordre de la sincérité. Dies wurde am folgenden Tag mit einer zweiten Datierung „Bayreuth, den 17.11.1705“ bestätigt und ergänzt. Das Ordenszeichen (hier aus dem Historischen Museum Bayreuth) bestand aus einem Kreuz mit Ordensband und einem Ordensstern. Der Rote Adler war auf dem Orden deutlich zu sehen.

Am Georgstag, dem 23.April, trafen sich die Ordensritter ab 1711 jährlich in der Ordenskirche als dem geistlichen Versammlungsort. Dort wurden auch ihre Wappentafeln an den Emporen aufgehängt, so war es in den Statuten vorgesehen. Die Ritter haben damals zum Bau und Erhalt dieser Ordenskirche kräftig gespendet, außerdem 1722 die 4. als die größte Glocke finanziert und diese „Ritterglocke“ mit folgendem Treuespruch geziert: „Als Georg Wilhelm war lands-Regent/ Der Thurm und Kirchenbau vollendt/ Da bin ich, Gott zu ehren, bereit/ Vom Orden der Aufrichtigkeit/1722“.

Als weltlicher Versammlungsort diente im Anschluss an den Gottesdienst der Kapitelsaal des Ordensschlosses.

Als Georg Wilhelm 1712 regierender Markgraf wurde, machte er den Orden zum Hausorden und erneuerte die Statuten – wiederum am 17.11 – und ließ sie „auf 5 Bögen in Bogengröße“ publizieren.

Ideal und Wirklichkeit –
auch ein Orden hat zwei Seiten

„Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der Ritterorden weder seinen umfangreichen Statuten gerecht wurde, noch eine echte Ordensgemeinschaft war“, so Christoph Rabenstein (1994, S.45) in seinem Buchbeitrag „Tugendhafte Ritterrunde oder elitärer Männerzirkel?“ und weiter: „Sylvia Habermann hat wohl recht, wenn sie meint, dass der Orden eine elitäre Vereinigung war, deren Mitglieder keine weiteren Ziele verfolgten, außer dem einen, dabei zu sein‘“. Das Bild von Georg Wilhelm als homo ludens, der Ritter und Seeschlachten „als lebendiges Spielzeug betrachtete“, gehört inzwischen zu seinem Image. In Friedenszeiten werden die Sitten eben auf andere Weise lockerer.

Aber: Karl Müssel, der ebenfalls gründliche Kenner von St. Georgens Geschichte, stellt die Ordensgründung in größere Zusammenhänge, die in der popularisierenden Berichterstattung naturgemäß etwas untergehen: „Der Orden de la Sincérite war ein weltlicher Ritterorden des 18. Jh., der auf überkonfessioneller Ebene eine kollektive Elite um den markgräflichen Ordensmeister versammelte. Vier Jahrzehnte nach der Befreiung Wiens und fünf Jahre nach dem Sieg von Belgrad über die Türken galt der „edle Ritter“ vom Typ des Prinzen Eugen als Mannesideal der Zeit.“  . . .
und weiter:

„Für die Geschichte seines Hausordens ist von Bedeutung, dass er /der Ordensstifter, Ordensmeister und gastgebende Hausherr/ am Spanischen Erbfolgekrieg als hoher Offizier teilgenommen hatte und neben dem Rang eines kaiserlichen Generalfeldmarschalls die gleiche Würde auch im Fränkischen Kreis und in Polen erlangte. Sein Orden wurde /auch/ an Offiziere der ihm unterstellten Truppenteile vom Stabsoffizier aufwärts und an hohe Beamte und Hofchargen des Markgraftums verliehen.“

Die wenigsten kamen aus dem Territorium des Markgraftums. Von den Ordensrittern bekleideten etwa 2/3 hohe militärische Ränge (darunter 2 weitere den des kaiserlichen Generalfeldmarschalls) . Rainer Trübsbach zählt einige der ersten Mitglieder auf und erwähnt auch ein kaiserliches Dragonerregiment Bayreuth, von Obrist und Kommandeur Victor Graf von Philippi geleitet, zuletzt General­feld­marschall & Freund des Prinz Eugen von Savoyen.

Kriegs-Allegorie (links) und Friedens-Allegorie (rechts) aus dem Deckengemälde von Gabriel Schreyer aus dem Ordens-Saal im 2. Schloss 1727.
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Die Rittertafel von 1722

Schon in diesem ersten Schlossbau, der 1723 abgerissen wurde, gab es einen zentralen, quer angelegten zweistöckigen Ordens- und Festsaal. Dort fanden die weltlichen Versammlungen der Ritter vom Ordre de la sincérité (Orden der Aufrichtigkeit) und markgräfliche Feste statt.

Ein eindrucksvoller Kupferstich aus dem Jahr vor dem Abriss ist erhalten, den Karl Müssel (in AO 1991, Band 71 und in seinem Beitrag in der Festschrift 300 Jahre St. Georgen) abbildet und analysiert. Er stützt sich bei seinen Recherchen zur Rittertafel von 1722 auf ein „Verzeichniß sämmtlicher in den Jahren 1705-1723 vom Markgrafen George Wilhelm ernannten Ritter des Ordens de la Sincérité“. In dieser Zeit wurden etwa 80 Orden verliehen. Zur Kanzlei-Verwaltung des Ordens gehörten neben dem Markgrafen als Ordensmeister u.a. auch ein Ordenskanzler und ein Ordenssekretär.

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Rittertafel im Kapitelsaal des 1. Ordensschlosses St. Georgen – am Georgstag (=23.4.) 1722. Kupferstich vermutlich von Johann Peter Demleutner, nicht signiert (Ev.-Luth. Pfarramt Bayreuth-St. Georgen)

Das 2. Ordensschloss (1725-1727)  –
heute Justizvollzugsanstalt

Auf der Residenzkarte von Johann Georg Dülp (um 1720) ist der dreiteilige erste Schlossbau noch mit „Drey Fürstl. Häußer Schlößer“ bezeichnet. Aber die alte Schlossanlage war baufällig und genügte nicht mehr. 1722 wurden schon 2000 Fuder Steine für den geplanten Neubau nach St. Georgen verfrachtet. 1723 wird der Mittelteil abgerissen, die Seitenflügel bleiben bestehen. Der inzwischen erprobte Hofarchitekt Johann David Räntz (1690-1735), der ältere Sohn von Hofbildhauer Elias Räntz, übernahm Planung und Bauleitung für den Neubau des dreigeschossigen Sandsteingebäudes mit vorspringendem Mitteltrakt und Mansarddach.

J.D. Räntz war gelernter Bildhauer, aber Paul Decker (1677-1713) – selber von Andreas Schlüter beeinflusst, von 1710-1712 Hofarchitekt, danach Hofbaudirektor – hatte seine Begabung für den Architektenberuf entdeckt und gefördert und ihn noch 1713 zu Studienzwecken nach Italien gesandt. Inzwischen verantwortete
J.D. Räntz unter MG Georg Wilhelm zahlreiche Bauten. Bei den Jagdschlössern Falkenhaus und Thiergarten sei der Einfluss Paul Deckers in der Grundrissgestaltung nachweisbar (August Gebessler 1959, S. 84). Und auch beim neuen Ordensschloss, das der bisher größte Repräsentativbau von MG Georg Wilhelm werden sollte, greift J.D. Räntz Ideen seines Lehrers auf. Darauf weist Christoph Rabenstein beim Vergleich des Paul Decker/Delsenbach-Kupferstichs von ca 1712 mit dem Schlossbau von 1727 hin (2002, S. 36f).

1725 wird der Grundstein für den neuen Mittel(Haupt)trakt gelegt. Die Vollendung 1727 hat MG Georg Wilhelm nicht mehr erlebt, denn er starb, noch relativ jung, am 17.12.1726. Die niedrigeren Seitenflügel bleiben stehen, werden diesmal aber direkt angeschlossen. Dadurch ergibt sich eine „Disharmonie“, ­
die Markgräfin Wilhelmine – die sich gerne in St. Georgen aufhielt – ­ in ihren Memoiren noch störte: „Das Hauptgebäude ist von Stein
. . .  Das Äußere dieses Gebäudes ist voll Fehler, beide Flügel sind nicht massiv . . . “. (Die weiß gestrichenen niedrigen Anbauten rechts und links von den Flügeltrakten sind späteren Datums, als man auf den historischen Charakter des Gebäudes nicht mehr so achtete, und gehören zum Untersuchungsgefängnis).

Dieser Mittelbau ist auch heute – obwohl „geschwärzt“ und Teil des Gefängnisses – noch eindrucksvoll. Es fehlt ihm aber der einstige Balkon mit dem kunstgeschmiedeten Geländer, auf den der Markgraf durch das Bogenfenster vom großen Kapitel-Ordenssaal aus „vors Volk treten“ konnte. Von hier aus konnte er Militärparaden abhalten, Gäste empfangen und seine „Planstadt St. Georgen“ Richtung Bayreuth überblicken – mitsamt der repräsentativen, geometrisch angelegten Gartenanlage. Die Schlossfassade war ganz auf ihn als Zentrum der Inszenierung zugeschnitten. Über ihm „ein flacher Dreiecksgiebel auf Volutenkonsolen“ und das pompöse „Allianzwappen“ als Sandsteinrelief. Stadthistoriker Franz Simon Meyer interpretiert es eher als „Sammelwappen für die Mitglieder des von Markgraf Georg Wilhelm gestifteten Ordre de la sincérité“. Die Historiker mögen es nachprüfen. Unter dem Mansarden-Dach dann ein Trophäen-Architrav.

Die ebenfalls representative Rückfront wird von 2 achteckigen Ecktürmen flankiert. Sie diente dem Auftakt zu den Seespaziergängen, Seefesten und See-Illuminationen. Die Blickachse führte von dieser Schlossmitte über Garten und Steg hinweg zum See, der Insel und dem Weiherhaus Richtung Bindlach.
Vom Ordensaal aus trat man auf eine Plattform, von der – symmetrisch angelegt – die Treppen im Halbrund hinab in den damaligen Rosengarten führten (heute in den stacheldraht­bewehrten Gefängnishof-Garten und zum Sportplatz). Auch hier war über dem Portal eine Kartusche mit Hoheitszeichen angebracht, diesmal mit dem Monogramm von MG Georg Wilhelm zu Brandenburg = GWMZB. Darüber der Adler und der Fürstenhut der Hohenzollern.

Der Kapitel- oder Ordenssaal

Von der Ausstattung des 2. Ordensschlosses ist nur dieser zentrale Raum noch erhalten, noch großartiger als der Festsaal für die Ordensritter (und andere Versammlungen) im Vorgängerbau. Auch hier ist er zweigeschossig und breitachsig angelegt. Zentrum sind das riesige Deckengemälde (eher Deckenfresco) von Gabriel Schreyer mit der Gegenüberstellung einer Kriegs- und Friedensallegorie (Detail-Fotos dazu siehe weiter oben) und der reiche Stuck von Andrea Domenico Cadenazzi.

MG Georg Wilhelm hatte übrigens zuvor in der Region auch kleinere Rote Adler-Säle für derartige Treffen entsprechend ausgestalten lassen, so im Prinzenbau Himmelkron (1712), im Alten Schloss der Eremitage (1719) und im Jagdschloss Thiergarten (1720).

Und so sah der Saal noch Anfang des 19. Jahrhunderts aus:

Stuckdekoration an der Decke des Hauptsaals (Abb. 36 in Friedrich H. Hofmann: Bayreuth und seine Kunstdenkmale. 1902) und eine Gesamtansicht (aus Carl Gießel: Bayreuth. 1924, abgebildet bei F. S. Meyer 2016).

Dieses Künstler-Duo begegnete uns unter MG Georg Wilhelm schon bei seinen anderen, kleineren und früheren Roter Adler-Sälen bzw. Versammlungsorten – in Himmelkron, der Eremitage und in Thiergarten. Zahlreiche Adler im weißen Kartuschen-Stuck oder als rote auf dem Deckengemälde weisen auch hier unmissverständlich auf den Hauptzweck des Saales hin.

Die im 19. Jh. eingezogene Zwischendecke im Ordenssaal wurde 1901/02 wieder ausgebaut und die abgeschlagene Stuckausstattung im unteren Saalbereich auch wieder hergestellt. Im Krieg diente der große Saal als Lazarett. Stuck und Decke waren „grau bis schwarz verräuchert“. Von 1949 bis zum Bau der Hl. Geist Kirche 1972/73 war der Ordenssaal Gottesdienstraum der Katholiken in St. Georgen.

1991 wurde dieser einstige Festsaal restauriert, eine Fußbodenheizung gelegt, Stuck und Deckengemälde erneuert.
„In den Wandschmuck eingeschmuggelt“ hat man bei der Gelegenheit auch das Bayreuther und einige andere (farbige) Wappen. Man wollte uns wohl ein Lächeln entlocken.

Aber ohne Justiz und diesen Versuch einer (öffentlich kaum wahrgenommenen oder kommentierten) Erneuerung gäbe es den Kapitelsaal vielleicht gar nicht mehr. Nach der Renovierung 1991 und noch viele Jahre danach gab es dort besondere Veranstaltungen und für interessierte (und angemeldete) Besucher zeitweise bis zu 30 Führungen im Jahr. Derzeit bleibt der barocke Prunk- und Festsaal der Öffentlichkeit weitgehend unsichtbar, auch als „Geheimtipp“ nicht zugänglich. In ihm finden für die Gefängnisinsassen Sonntags-Gottesdienste statt.

Sandsteintrophäen – von nahem gesehen

Mit diesen Trophäen, die wir auch im Ordenssaal finden, hat sich vor allem der ehemalige Architekt und Stadtheimatpfleger Franz Simon Meyer 2016 befasst. Seine Fotos (von der Straßenseite) stammen aus den Jahren 2010-2015.

Die Sandsteinreliefs sind Teil der Fassadengestaltung 1727 und verweisen auf die Nutzung des Gebäudes durch die Mitglieder des Ordens „de la sincérité“. Ähnliche Darstellungen befinden sich auch an der Hofseite und im Ordenssaal.                                                    

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Spätere Nutzung des Ordensschlosses

Schloss, Festsaal, Garten und Weiher wurden im 18. Jh. auch von den Nachfolge-Markgrafen Georg Friedrich Carl (1726-1735) und danach Friedrich & Wilhelmine (1735-1763) genutzt.
Das letzte Seefest auf dem Brandenburger See, auf dem zu Zeiten von Georg Wilhelm anfangs noch militärische Manöver und Seeschlachten stattfanden, wurde 1771 zum Besuch von Markgraf Alexander (1769-1781) inszeniert.

Zum Ende der Markgrafenherrschaft wurde das Schloss nicht mehr sinnvoll genutzt und nicht gepflegt. Es diente 1805 – unter preußischer Verwaltung – als Remise und Waffenlager und 1810–1897 als bayerisch-königliches Militär- bzw. Garnisons-Lazarett, zum Teil auch als Arbeitshaus. Die niedrigeren, an den Quertrakt seitlich anschließenden Flügelbauten sowie die Erweiterungsbauten stammen aus dem 19. Jahrhundert, waren Privatbesitz und wurden erst später wieder vom Staat erworben. 1897 wurde das Schloss zum Gefängnis umgebaut. Der gesamte Baukomplex ist – wie schon erwähnt – seit langer Zeit Teil der Justizvollzugsanstalt St. Georgen in Bayreuth. Von dieser, die weitere Außenstellen im Schloss
St. Johannis und in der Markgrafenallee hat, und von deren Gesamtanlage ist das ehemalige Ordensschloss heute nur ein kleiner Teil.

Vision

1991, im Jahr der Restaurierung des Barocksaales, wurde von 28 Männern und Frauen der Freundeskreis St. Georgen gegründet. Damals war man euphorisch: „Aus dem Gefängnis soll wieder ein Schloss werden“, „das Schloss den Bürgern“  . . .  hieß es. Und es gab mutige Pläne für eine Umgestaltung, an der u.a. Dr. Alexander Wild als Vorsitzender, Historiker Karl Müssel (der beste Kenner der Geschichte von St. Georgen) und Dr. Peter O. Krückmann (damals Bayerische Schlösserverwaltung München und für Bayreuth zuständig) mitwirkten. Schließlich hatte die Renovierung Millionen gekostet und die Gefängnisleitung hoffte selber auf den Umzug in eine modernere Justizvollzugsanstalt. „Eines Tages, so hoffte der Freundeskreis, wird der schönste Gefängnistrakt der Republik wieder ‚rekultiviert‘ und zum Besucherjuwel St. Georgens.“

Abbildung oben: Festschrift 300 Jahre St. Georgen, 2002, S.65

Abbildung rechts: Abb.35/S.34 aus Christoph Rabenstein/Ronald Werner 1994: So stellt sich der Landschaftsarchitekt Heinz Wunde die Neugestaltung der Schlossanlage vor.

Text & Fotos: Karla Fohrbeck 2023

Literatur

Die Geschichte von St. Georgen ist sehr gut erforscht. Die Bibliographie dazu lang. Die zentralen Dokumente für diesen Beitrag sind:

  • Engelbrecht, Wilfried: „Das Neueste aus Bayreuth“ – die Presse im markgräflichen, preußischen und französischen Bayreuth 1736-1810. Bayreuth 1993
  • Festschrift: 300 Jahre St. Georgen. 1702-2002. (Hg: Die „Brannaburger“, Redaktion Christoph Rabenstein. Bayreuth 2002)
  • Fischer, Horst: St. Georgen. Das Häuserbuch. Bayreuth 2000
  • Gansera-Söffing, Stefanie: Die Schlösser des Markgrafen Georg Wilhelm von Brandenburg-Bayreuth.  Bayreuth 1992 (darin    Abb. 81 zur Rittertafel 1722)
  • Gebessler, August: Stadt und Landkreis Bayreuth. München 1959.
  • Habermann, Sylvia: Gründer und Namensgeber, Erbprinz und Markgraf Georg Wilhelm. In: Festschrift 300 Jahre St. Georgen aaO. 2002
  • Haas, Helmut: Bayreuther Schlösser. In AO 2014 (S. 122-124 zu St. Georgen)
  • Meyer, Franz Simon: Bayreuth- Kunst vor 1800 (2016. Umfangreiches Ms., auch digitalisiert, im Stadtarchiv Bayreuth)
  • Müssel, Karl: Die „Rittertafel“ im Markgrafenschloss St. Georgen am See (1722). In: AO 1991, Band 71, S.293-303
  • Müssel, Karl: St. Georgen am See. Die Planstadt zum Erbprinzenschloss. In: Festschrift 300 Jahre St. Georgen aaO. 2002
  • Müssel, Karl: Roter Adler-Orden. In: AO 2006, S. 211-254 (Jahresband 86), Kurzfassung auch im Heimatkurier 4/2005
    (Es geht darin in erster Linie um die Biographien der ersten Ordensritter)
  • Rabenstein, Christoph/Ronald Werner: St. Georgen. Bilder und Geschichten. Bayreuth 1994
  • Rabenstein, Christoph: Das historische St. Georgen – ein Rundgang. In: Festschrift 300 Jahre St. Georgen aaO. 2002
  • Trübsbach, Rainer. Geschichte der Stadt Bayreuth. 1994