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barocke Prachtbauten & -Strassen

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Prinzessinnen-Haus   –   Markgrafenallee 44

Ein Domizil für zwei Prinzessinnen

Den Eingangsbereich zur Markgrafenallee bilden – vom Ordens­schloss aus gesehen – zwei Gebäude, die noch aus der Zeit von
Markgraf Georg Wilhelm (1678/1712-1726)
stammen: Das sogenannte Prinzessinnen-Haus und der Zuchthaus-Komplex gegenüber. Obwohl Georg Wilhelm 1712 nach dem Tod seines Vaters die Erbfolge antrat und daher seine Hauptresidenz ins Alte Schloss in Bayreuth verlegen musste, blieb St. Georgen als Neben­residenz weiterhin reizvoll.

Zu den Plänen gehörte der Ausbau der (heutigen) Markgrafenallee, die die Westseite des Schlossparks mit Bayreuth verbinden sollte. Den Beginn einer ganzen Häuserzeile sollte dieser, damals noch einstöckige Sandsteinbau bilden, den die markgräflichen Eltern Georg Wilhelm & Sophia von Sachsen-Weißenfels 1722 für ihre Tochter Christiane Sophie Wilhelmine von Hofarchitekt Johann David Räntz errichten ließen – damals im Blickfeld vom Ordensschloss und am Rand der barocken Parkanlagen gelegen.

Die reiche Stuckausstattung, das „kräftige Muschel-, Band- und Rankenwerk“ von Andrea Domenico Cadenazzi stammt noch aus der Bauzeit. Im Hauptsaal des Obergeschosses ist auch ein Deckengemälde mit allegorischem Inhalt erhalten geblieben. *
1735 kauften MG Friedrich & Wilhelmine das Anwesen für ihre Prinzessin-Tochter Elisabeth Friederike Sophie.

1784 wurde das Gebäude gegenüber der Zuchtanstalt eine Irrenanstalt. Aus den Jahren 1789 und 1806 stammen die zwei größeren Flügel-Anbauten. 1872-1956 diente es als Fabrikantenvilla. Heute ist es ein Mehrparteien-Miethaus neben der ausgedehnten Gefängnisgärtnerei.

Aus der carte spéciale 1745 von Johann Adam Riediger (1680-1756)
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Prinzessin Christiane Sophie Wilhelmine (1701-1749)  –   unglücklich liiert

Diese Prinzessin wurde fern vom Markgraftum in Dresden bei ihrer streng-gläubigen Tante, Königin Christiane Eberhardine von Polen, katholisch erzogen. Im 12. Lebensjahr kam sie dann – als ihr Vater Georg Wilhelm Markgraf wurde – an den Bayreuther Hof und nach St. Georgen, wo die Sitten „locker waren“. Ein seltener Stich aus dem Jahr 1722 zeigt uns die üppige Tafelei der Ordensritter mit Damen im Kapitelsaal des Ordensschlosses. Auf einem vergrößerten Ausschnitt erkennen wir mittig das Markgrafenpaar und rechts daneben die Prinzessin und den Ordenskanzler. Für sie jedenfalls war das neue Domizil bestimmt.

Dass sie aber eine unglückliche „Skandal-Prinzessin“ wurde, lag weniger an ihr als an ihrer überaus eifersüchtigen Mutter Sophia, die sie mit 17 Jahren gebar und dann weggab, ihren Gemahl nicht liebte und dessen Heiratsplänen für die Tochter mit dem künftigen MG Georg Friedrich Karl, der sie verehrte, ablehnend gegenüber­stand.

Markgräfin Wilhelmine rühmt später die Schönheit, Sanftmut und das einnehmende Betragen der Prinzessin. Hinter dem Rücken des Markgrafen hatte Mutter Sophia die üble Intrige mit dessen
1. Minister Christian Hieronymus von Stutterheim eingefädelt und dem österreichischen Adligen und markgräflichen Kammerherrn Ernst Boguslaw von Wobeser (auch Wobser oder Vobser) 4000 Dukaten versprochen (die er nie bekam), wenn er die Tochter verführe und schwängere. Da dies im Guten nicht gelang, sperrte sie beide ein und ließ das Schicksal walten. Es kam aber anders, die Beiden waren sich zugetan und gaben sich ein Eheversprechen, mussten die Liaison aber geheim halten. 1722 kamen in der Eremitage die Zwillingsknaben auf die Welt, und starben kurz darauf – auch hier scheint Mutter Sophia übel „mitgewirkt“ zu haben.  

Von dieser nicht standesgemäßen Affäre berichtet Markgräfin Wilhelmine ausführlich in ihren Memoiren.
Den ausführlichen Bericht finden Sie hier

(aus der nebenstehenden Buchausgabe in der Übersetzung von Günter Berger, Bayreuth 2007)
.

MG Georg Wilhelm jedenfalls, der jetzt erst von dem „Fehltritt“ seiner Tochter erfuhr, war entsetzt und verbannte sie 1725 erst auf die Plassenburg in Kulmbach und später auf die Hohenburg. Ihr ehemaliger Verehrer und ab 1726 Markgraf und Nachfolger ihres Vaters ließ sie zwei Jahre später frei. Ihr Lebensmittelpunkt war ab da Kulmbach, wo sie ein eigenes Prinzessinnenhaus am Ende der Oberen Stadt bezog, mit dem Brandenburger Wappen und ihrem Namenszug als einzigem Fassadenschmuck, und mit sehr schönen Gärten im Umfeld. Sie blieb auch in Kulmbach, konvertierte zum Wohlgefallen der Bevölkerung wieder zum protestantischen Glauben, und starb als angesehene und wohltätige „Ehrenbürgerin“ der Stadt. Sie wurde in der Petrikirche beigesetzt.

Die „Rittertafel“ 1722 im Markgrafenschloss St. Georgen am See, und zwar im damaligen ersten Ordenssaal. = nicht signierter Kupferstich, vermutlich vom Hofkupferstecher des Markgrafen, Johann Peter Demleutner (1677-1726).
Mehr dazu im gleichnamigen Beitrag von Karl Müssel im Archiv für Oberfranken,
Band 71= 1991 (S. 293-303).
Prinzessinnenhaus auf Schießscheibe

Prinzessin Elisabeth Friederike Sophie (1732-1780)   –   unglücklich verheiratet

1735 verkaufte also die „Kulmbacher Prinzessin“ ihr Haus an der Markgrafenallee an Markgraf Friedrich – angeblich zu einem Spottpreis (laut Rabenstein, S. 64 für 1200 Gulden). Dieser bestimmte es für seine und Markgräfin Wilhelmines einzige Tochter. Diese bewohnte darin den Hauptflügel, bevor sie 1748 den jungen Herzog Carl Eugen von Württemberg heiratete, mit dem sie nicht glücklich werden sollte. 1754 trennte sich das Paar (ohne offizielle Scheidung) und sie kehrte nach Bayreuth zurück. Kurzzeitige Versöhnungsversuche scheiterten.

Bis zum Tod ihrer Mutter Markgräfin Wilhelmine wird sie das Prinzessinnenhaus bei ihren Aufenthalten in Bayreuth bewohnt haben. 1759 – als der Vater MG Friedrich mit dem Schwiegersohn einen Vergleich für seine Tochter aushandelt und selber wieder heiratet – zieht sie für einige Zeit mit ihrem Hofstaat nach Neustadt an der Aisch. 1763 – nach dem Tod auch des Vaters – erwirbt sie dann vom Nachfolger-Onkel MG Friedrich Christian (1763-1769) Schloss und Park Fantaisie als Hauptwohnsitz. Sie ist zwischen den Särgen ihrer Eltern in der Marmorgruft der Schlosskirche beigesetzt.

Das Elfenbein-Aquarell (8,5 cm breit- 6,1 cm hoch) zeigt die Prinzessin als junge Herzogin im Alter von 18 Jahren und wurde vom markgräflichen Hof- und Miniaturmaler Juda Löw Pinhas (1727-1793) um 1750 für die herzogliche Kunstkammer in Stuttgart gefertigt (heute Württembergisches Landesmuseum).
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Vorbildliche Irrenanstalt ?

1784 ließ MG Alexander (1736/1769-1791/1806) Gefangene und „Irre“ trennen. In dem Gebäude – das ja dem Zuchthaus gegenüber stand – wurde jetzt eine Irrenanstalt eingerichtet. Bis dahin hatte es leer gestanden bzw. hatten die Aufseher des gegenüberliegenden Zuchthauses hier gewohnt, die „Irren“ dagegen im Zuchthaus. Jetzt bekommen diese ihr eigenes Domizil. Es wird ein 2. Obergeschoss aufgesetzt und 1789 erfolgte der Anbau von zwei Flügelbauten, die einen offenen Hof umschließen. Die Unterhaltskosten wurden vom Zuchthaus-Etat und dem Ertrag der Marmorfabrik mitgetragen.

Die Geschichtswerkstatt Bayreuth berichtet von dieser Anfangszeit: „Durch die räumliche Trennung verbesserte sich die Situation der Betroffenen keineswegs. Zwar stand ab 1781 das Haus erstmals unter ärztlicher Leitung. Aufgrund von Berichten über haarsträubende Zustände aber wurde in der Anstalt eine Untersuchung eingeleitet. Der Beauftragte stellte ‚miserables Essen, Korruption der Bediensteten und medizinal-polizeiliche Mängel fest‘.“

Die Situation scheint sich danach verbessert zu haben, denn der königlich-preußische Offizier J.C.E. von Reiche rühmt 1797 in seiner Beschreibung von Bayreuth:  „Die innere Einrichtung des Irrhauses ist ganz vortrefflich. Es herrscht eine Reinlichkeit und Ordnung darinnen, die einen in Erstaunen setzt, und vorzüglich den Verstandlosen, deren Anzahl sich derzeit auf sieben und zwanzig Personen beyderley Geschlechts beläuft, sehr zuträglich ist.“ Unten waren die Männer, oben die Frauen untergebracht, teils sogar in Einzelzimmern. Und 8 Personen konnten sogar gesund entlassen werden.

1804 übernahm Johann Gottfried Langermann die Führung der Irrenanstalt. Er dachte fortschrittlich, hielt Geisteskrankheiten für heilbar und ging dem Zusammenhang von körperlicher und psychischer Krankheit nach. Auf der Karte von 1850 sieht man wie sich der Gebäudekomplex Irrenhaus inzwischen vergrößert hat. Diese Nutzung des einstigen Prinzessinnenhauses wurde überflüssig, als 1870 in Wendelhöfen eine moderne Kreis-Irrenanstalt entstand.

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Stadtarchiv Bayreuth (Landeslichtbildstelle)

Fabrikantenvilla  &  Mietshaus

Anfang der 1870er Jahre erwarben die Brüder Bruno & Oskar Teuscher den Gebäudekomplex. Oskar und sein Schwager Albert Dietz, der 1885 nach Bayreuth gezogen war, richteten dort eine Keksfabrik ein. Im Jahr 1900 wurde Oskar Teuscher alleiniger Eigentümer, zwei Jahre später trat sein Schwiegersohn Wilhelm Koch als Teilhaber in die Firma ein. In der Folge entstand in den Nebengebäuden eine prosperierende Zuckerwaren-, Biskuit- und Lebkuchenfabrik. Das Haupthaus wurde als Büro und repräsentative Wohnung gestaltet.

Während der Richard-Wagner-Festspiele empfing Koch dort regelmäßig illustre Gäste: Maler und Bildhauer Auguste Rodin (1840-1917) besuchte das Haus. Der englische König Albert Edward VII (1841-1910) und seine Ehefrau Alexandra, Prinzessin von Dänemark (1844-1925) übernachteten mehrmals dort.
1956 wurde der Betrieb der Fabrik eingestellt. (Quelle: wikipedia)

Heute gruppieren sich um den Hof verschiedene Mietparteien, u.a. Ateliers, Physio- und Gesundheitspraxen. Der Freundeskreis St. Georgen lädt in größeren Abständen zu Vorträgen oder Versammlungen in die historischen Räume im Obergeschoss ein.

Textredaktion & Fotos: Dr. Karla Fohrbeck

*Die genauere kunsthistorische Beschreibung dazu findet sich bei August Gebessler, Stadt und Landkreis Bayreuth. München 1959, S. 64f.

Prinzessinnenhaus auf Schießscheibe