ENTDECKE

MARKGRAFENKIRCHEN

ZURÜCK ZUR ÜBERSICHT

COTTENAU
PETER & PAUL-KIRCHE

Über diese kleine Kirche im Markgrafenstil, die den beiden Aposteln Petrus und Paulus gewidmet ist, gibt es nur wenig Literatur. Sie liegt etwas versteckt am östlichen Ortsrand im kleinen Cottenauer Friedhof, ein paar Kilometer von Wirsberg im Landkreis Kulmbach entfernt, zu dessen Pfarramt sie als Filialkirche gehört. Auch sie ist eine Überraschung und einen Besuch wert, aber geschlossen. Man kann auch nicht hineinsehen. Vielleicht wird man eines Tages – wie bei manchen katholischen Kapellen in den Bergen – ein Gitter in den Eingang machen, so dass man zumindest in den Windfang eintreten und staunen kann. Oder Sie finden im Pfarramt oder unter den Nachbarn jemand, der Ihnen öffnet.

Eine Gemeinde in eigener . . .

Auch diese Kapellen-Kirche hat – wie viele in der Region – ihren Ursprung in der Zeit lange vor der Reformation, die im Markgraftum 1528 von der hochfürstlichen Obrigkeit durchgesetzt wurde. Der Großteil des Adels folgte. Karl Hahn hat dankenswerterweise 1991 (siehe Literatur am Textende) eine seltene Archivquelle im Pfarramt Wirsberg aufgetan, in der Pfarrer Albinus 1664 über Cottenau zur Zeit 1501 schreibt:

„Erstlich ist dasselbe Capell-Kirchlein 1501 von den wirsbergischen Einwohnern, namentlich Sebastian von Waldenfels, Ritter und Amtmann, Niclauß Stegern, Pfarrern, auch Bürgermeister und Rath daselbst durch ein ausgeschriebenes und allenthalben her erbetenes Almoßen vornehmlich den beiden Heiligen Petro und Paulo zum Andenken und Anrufung mit Tünchen, Täfelwerk und gehörigen Ornat repariert und ohne sonderlichen Kirchhof noch Pfarrhäuslein, die hernach erst erbauet sind, wiederumb aufgerichtet worden, daß man von hieraus (Wirsberg) jährlich dahin vermutlich eine Bergwallfahrt gehalten und Meß darin gehöret hat, wie denn nach erleuchteter christ-evangelischer Reformation und noch heute alle Jahre am Tag Sankt Petri und Pauli (29. Juni) der Pfarrer und ganze Gemeinde des Marktes Wirsberg ihren Gottesdienst dahin transferieren.“

Ein ellenlanger Schachtelsatz, wie man ihn wohl nur in der hochlöblichen deutschen Sprache so entwickeln und komponieren kann. Auseinandergewickelt bedeutet er, dass die beiden Honoratioren des Ortes eine Bettelreise organisiert haben, wie das durchaus üblich war und womit man meist Handelsleute (die weit herumkamen) beauftragte, die dann ebenfalls von Petrus und Paulus beschützt wurden.

Es gab offensichtlich eine zerstörte Vorgänger-Kapelle, aber weder Friedhof noch Pfarrhaus. Also hat man mehr oder weniger neu gebaut, jetzt ein Kirchlein, das sich sehen lassen konnte, auch wenn es kaum größer war –frisch verputzt und gestrichen, innen mit „gehörigem Ornat“ und „Täfelwerk“ ausgestattet. Zu katholischen Zeiten jedenfalls war das Kirchlein Ziel einer beliebten jährlichen Bergwallfahrt und man zelebrierte dort die Messe.

Ein Klick auf die Bilder stoppt & vergrößert diese.

Info-Box

Evang.-Luth. Pfarramt Wirsberg
Marktplatz 18
95339 Wirsberg
Tel. 09227-300  (Fax-329)
Email:  Pfarramt.wirsberg@elkb.de
Bürozeiten Dienstag – Freitag 8.30-12.30

Gottesdienst in Cottenau 14tägig um 8 Uhr

Ein Klick auf die Bilder vergrößert diese.

. . .  & ritterschaftlicher Regie

1606-1609, so berichtet Pfarrer Albinus in obigem Bericht weiter, ist die Kapelle. „nachdem sie durch vorhergegangene Kriegsunruhe und anderem Unfall wiederum verwüstet worden“, durch den Rittergutsbesitzer und Kirchenpatron Georg Wolf von Guttenberg restauriert und zur Kirche erweitert worden, hat sogar eine Friedhofsmauer und ein kleines Pfarrhaus dazu bekommen. Denn der Bau wurde „an Gemäuer erhöht, ein Sacristei darein gebaut, noch ein Glöcklein darzu geschafft“ und der edle (=adelige) Ritter hat des weiteren „eine Mauer zum Kirchhof darum führen und ein Pfarrhäußlein dabei aufrichten und also aus dem zuvor bloßen Meßkapell ein ordentlich Kirchlein formieren lassen“.

Markgräfliche kirchliche Baumaßnahmen gab es in der Region im 17. Jh. nur wenige. Auf der Plassenburg gab es schon bald nach der Reformation eine Schlosskapelle im lutherischen Sinne – mit Empore dem Altar gegenüber. In Bayreuth wurde – vor allem nach den großen Stadtbränden in den 20er Jahren – an der Stadtkirche im gotischen Stil weitergebaut (wobei sie eine Orgelempore mit Fürstenloge bekam), und zum Alten Schloss gehörte dann auch eine geräumige Schlosskirche. In der Region selber konnten die Gemeinden da, wo die Ritter und Adligen ihr Patronat hatten, schneller reagieren.

Doch den 30jährigen Krieg (1618-1648) scheint die Cottenauer Pfarrkirche unbeschadet überstanden zu haben. Erst 1751 wurde sie noch einmal restauriert, diesmal auch barockisiert, und zwar durch Johann Friedrich von Oberland, der damals das Patronat hatte. Erst 1968 war wieder eine grundlegende Renovierung erforderlich.

Kanzelaltar mit Hohenzollernschild

In der Kirche hätte eine kleine Gemeinde mit 50 bis 70 Personen bequem Platz zwischen den 4 hellblau marmorierten Holzsäulen, im einfachen, nach vorne gerichteten Gestühl und auf der dreiseitig umlaufenden Empore, aber so viele sind es heutzutage nicht. Der Raum ist erstaunlich hell und man fühlt sich geborgen. Teile des ländlichen, blauumrandeten Kanzelaltars sind noch von Anfang des 17. Jh., insgesamt stammt er von 1751 – eine selbstbewusste handwerkliche Arbeit, die sich aber in der Vielfalt der barocken Kanzelaltäre behaupten kann.

Die hölzerne Kanzelwand, die in Höhe der Kanzelbrüstung beidseitig bis zur Kirchenmauer reicht, ist durch senkrechte Leisten gegliedert. Der Pfarrer tritt dort durch die rechte Tür in den rückwärtigen Sakristeiraum und eine schmale Stiege hoch zur Kanzel. So konnten ihn auch seine Zuhörer/innen auf den Seitenemporen sehen. Der polygonale Schalldeckel über ihm wird mit den üblichen, hier vergoldeten Lambrequins sowie einer Volutenkrone betont.

Ganz oben dann die markgräfliche Hoheits- und Wappenkartusche mit dem Hohenzollernschild, dem Brandenburger Adler und dem roten Fürstenhut. Eine besondere skulpturale „Bildpredigt“ enthält der Kanzelaltar weiter nicht. Ein einfaches Jesus-Kreuz auf der Mensa, dem Altartisch, muss genügen – und ein schönes älteres an der Wand.

Taufstein & ein Vortragekreuz von 1732 . . .

Über den vergoldeten Taufstein mit farbiger Weintraubenranke am Sockel und geschnitzter Volutenkrone samt Engelskopf auf dem Taufdeckel ist weiter nichts bekannt. Für so eine kleine Kirche ist er durchaus bemerkenswert und dürfte aus der gleichen Zeit stammen wie das Vortragekreuz.

Auch dieses hölzerne Vortragekreuz von 1732 ist ein Unikat und hat Seltenheitswert. Es wurde von den Zimmermeistern Josef Siegmund Dieter und Josef Straubinger gespendet, soviel weiß man immerhin. Es ist originell in seiner bäuerlich-barocken Ornamentik und mit den 4 rotgoldenen Lichtstrahlen um die (insgesamt recht schmale und kleine) Jesusfigur, gibt aber auch Rätsel auf.

Denn was bedeuten das große nachdenkliche, in die Ferne blickende Gesicht am oberen Kreuzende und die aufgesetzten Tropfen (Tränen?) an den Seitenenden, wo sonst traditionell meist Engelköpfe den Thron- und Schutzbereich Gottes markieren?

. . .  & Rokoko-Stuck von Rudolf Albini ?

Die Decke ist mit zartem Rocaille-Dekor und Blumenranken stuckiert, elegant und sparsam, so dass Fachleute sogar auf Adam Rudolf Albini schließen wollten. Ausgeschlossen ist das nicht, haben sich doch auch andere modebewusste und ehrgeizige Adelsfamilien markgräfliche Hofkünstler „ausgeliehen“, so – um bei den Stukkateuren zu bleiben – die Herren von Giech und die von Künsberg in Thurnau für ihre neue St. Laurentius-Kirche Bernardo Quadri, oder die Herren von Aufsess für ihre Schlosskirche dort Jeromino Francesco Andrioli.

Eine seltene Orgel aus der Zeit um 1800

In dieser kleinen Kirche hat eine Orgel unbeschadet überlebt, die Seltenheitswert hat: Das einzige, original erhaltene Werk des Hofer Orgelbauers und Silbermann-Schülers Johann Friedrich Heidenreich – eine Schrankorgel. Bis 1967 befand sie sich über der Kanzelwand, steht aber heute auf der Eingangsempore dem Kanzelaltar gegenüber. Von unten ist sie nicht ohne weiteres zu erkennen.

. . .  & ein Luther-Porträt an der Wand

Und was finden wir an der Wand links vom Altar und nicht zu übersehen? Keinen Heiligen doch? Nein, dort hängt ein großes Ölgemälde von Martin Luther im Rahmen, wie wir es übrigens auch von Weidenberg, Busbach, Melkendorf und ehemals in Neudrossenfeld kennen. Jedenfalls guckt er hier nicht – für Kinder jedenfalls – „bedrohlich“, sondern hat ein gewitztes Lächeln und einen freundlich-wissenden Blick.

Immerhin verdanken die evangelische Kirche und wir alle ihm viel, die Deutsche Sprache, die Bibel in deutsch und nicht zuletzt das Gottesgnadentum unserer markgräflichen und adeligen Obrigkeiten, denen Luther durch sein cuius regio – eius religio (wem das Land, dessen auch die Religion) zur weltlichen auch die geistliche Hoheit zugeordnet hatte.

Text & Fotos: Dr. Karla Fohrbeck

Ein Klick auf die Bilder stoppt & vergrößert diese.

Literatur:

  • 1915/16. Pfarramt Wirsberg. Pfarrbeschreibung (S. 36 & 39f)
  • 1978. Willi Mages. Cottenau – seine Herren und ihr Besitz (in: Fränkische Heimat Nr.2)
  • 1981. Alfred Schelter. Der protestantische Kirchenbau des 18. Jahrhunderts in Franken.
  • 1982. Helmuth Meißner. Katalog der Kanzelaltäre in Oberfranken.                                                                 
  • 1991. Karl Hahn. Wirsberg (& Cottenau) in: Evang. Dekanat Kulmbach (Hg): Porträt eines Dekanatsbezirkes.
  • 2020. Landkreis Kulmbach. Freizeitführer.

Wir verweisen auch auf die allgemeinere Literatur zu den Markgrafenkirchen im Vorspann zu den Einzelkirchen
und auf den direkten Link zur Pfarrkirche St. Johannis in Wirsberg