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barocke Prachtbauten & -Strassen

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Creußen – Die Künneth-Eremitage (1760-1800)

Ein verstecktes Unikum

Von der B2 aus Richtung Bayreuth kommend biegt man unmittelbar nach dem Ortseingang Creußen (hinter dem Supermarkt) links ein in die Sperkengasse, fährt am Kreisel geradeaus und entdeckt dann hinter dem Zaun auf der rechten Seite – hinter Bäumen in einem schönen privaten Garten versteckt – das steinerne Eremitenhäuschen. Zusammen mit dem zweistöckigen späteren Turmanbau wirkt es für damalige Zeiten eher wie eine Luxus-Eremitage. Man sieht nur, was man weiß, heißt es – und da man eine Besichtigung nur nach Voranmeldung über die Stadt Creußen vereinbaren kann, fällt der virtuelle Spaziergang diesmal etwas ausführlicher aus und bietet entweder Ersatz oder motiviert besonders eindrücklich.

Ein klassischer „Prachtbau“ ist sie nicht, auch nicht wirklich „repräsentativ“ – aber eine der wenigen, vielleicht die einzige bürgerliche Eremitage aus dem 18. Jahrhundert in Deutschland. Ein Unikum, „mehr ein Kuriosum denn ein Denkmal der Kunst“ heißt es im Bildband über Franken 5 im Deutschen Kunstverlag. Und kunstgeschichtlich passt dieses Gartenhaus „mit gotischen und barocken Bauformen aus Bruch- und Ziegelsteinen, Glas- und Keramikteilen“ (Helmuth Meißner) am Ehesten in einen verfrühten Historismus. Aber spirituell ist es ein privates Pendant zur Bayreuther höfischen Eremitage von Markgraf Georg Wilhelm (1712-1726) und Markgräfin Wilhelmine (1735-1758) und greift den Gedanken der Vergänglichkeit dieses irdischen Lebens bewusst, aber durchaus auch spielerisch auf.

Virtuelle Besichtigung von außen

Die Einsiedelei besteht aus einem quadratischen zweigeschossigen Turm mit geschindeltem Walmdach und (rechts davon) einem niedrigen Trakt mit Fachwerk und Satteldach – insgesamt 8,5m quer und 3,5m in die Tiefe.

Wie eine Kapelle mit Westturm wirkt daher dieser Eremitagen-Bau, der mit verschiedensten Steinen und Stilelementen gespickt ist. Barocke Vierkantpfeiler und spätgotische Spitzbogen von Maßwerkfenstern, auch Engelköpfe aus dem 17. Jahrhundert oder Tuffsteinverzierungen und Putz mit Glasglitter schmücken die Außenseite, so beschreiben Bayern online und die Homepage der Stadt Creußen diesen „Fremdkörper“. Ein „gemauertes Lapidarium“ nennt es Italo Bacigalupo.  Aber um solche Details erkennen zu können, muss man schon Besucher sein und im romantischen Garten um das Gebäude herumlaufen.

Virtuelle Besichtigung von innen

Tritt man in die Innenräume dieses Rückzugsortes, so erahnt man auf kleinstem Raum doch ein großes geistiges Reich. Das Blickfeld im Hauptraum des Erdgeschosses nimmt ein hölzernes Schubladenregal mit der umfangreichen Gesteine-Sammlung des „Eremiten“ ein, darüber ein antiker Philosophenkopf. Zierlicher Deckenstuck, zwei Gips-Putti und Stuckreliefs im Halbkreis schmücken hier die Seitenwand. Es sind große Bildnismedaillons der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Heinrich Thiel weist an anderer Stelle auf die Analogie zur Orangerie in der Eremitage von Markgräfin Wilhelmine, die dort die Büsten der römischen Cäsaren auf dem Säulenhalbrund aufreihen ließ. Eine offene Miniküche und ein Mini-WC gehören ebenfalls zur Infrastruktur.

Die schmale Wendeltreppe hinauf ins Obergeschoss führt in die eigentliche Studierstube mit rundem Tisch, Küchen- und Bibliotheksregal. Die zwei Armlehnstühle deuten darauf hin, dass hier auch Raum und Zeit für Gespräche mit Anderen „über Gott und die Welt“ war. In den Schubladen lagerten Kupferstiche und andere Kostbarkeiten. Außer einem hölzernen gekreuzigten Jesus und ein paar Tellern und Modeln sind jedoch kaum Requisiten erhalten. Der kleine schmale (derzeit Abstell-) Raum hinter dem schön verzierten Türrahmen könnte Schlafkammer gewesen sein. Darüber der Dachraum.

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Info-Box

Kontakt:

Stadt Creußen,
Bahnhofstraße 11,
95473 Creußen

Tel.:09270 / 989-0
stadt@stadt-creussen.de
www.stadt-creussen.de

Eine Privatkapelle

Die rechts an den Turmbau anschließende Privatkapelle ist als Meditationsraum einfach gehalten. Kreuzgewölbe und Bleiglasfenster strukturieren Decke und Wände.

  • Kaum mehr erkennbare Heilige auf Reliefsteinen
  • und ein Bilderzyklus zur Seelsorge

füllen den „inneren Raum“.

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Wer konnte sich privat eine solche Einsiedelei leisten?

Der Theologe Johann Theodor Künneth (1735-1800) war Bäckerssohn aus Creußen, studierte in Erlangen (1753-1757 – mit Magister-Abschluss) Philosophie, Sprachen, Recht und Theologie, kehrte als Pfarrhelfer (Pfarradjunctus) nach Creußen zurück und hat sich dort wohl schon um 1760 eine kleine Eremitage für seine privaten Studien gebaut, diese als Refugium zeitlebens beibehalten und noch Ende des Jahrhunderts historistisch um-, an- und ausgebaut. Er schrieb dort seine „Historia Crusiae“, die Geschichte der Stadt Creußen, schrieb Kirchenlieder, gab ein lange Zeit beliebtes Gesangbuch heraus und theologische Handbüchlein für Geistliche und Lehrer und war ebenfalls als Dichter und Mitglied des Nürnberger Pegnesischen Blumenorden bekannt.

Sein Schwiegervater war ab 1761 der aufgeklärte (reformierte) Oberhofprediger Johann Christian Schmid, den sich Markgraf Friedrich kurz nach Regierungsantritt aus Genf holte (wo er selber studiert hatte) und der von seinen Reisen nach Holland, England und Frankreich „ganze deistische Bibliotheken mit nach Bayreuth gebracht hatte, um hier und in Hof  . . .  eine breitere Öffentlichkeit für die neuen theologischen Fragestellungen zu interessieren“
(D. Wölfel 1997). Künneth setzte diese Aufklärungsarbeit erfolgreich fort und „die von ihm begründete Lesegesellschaft war über ein Jahrzehnt lang das eigentliche Bildungsinstitut der Bayreuther Pfarrerschaft“.

In Künneths Privatkapelle krönt übrigens der Rote Adler-Orden das halbrunde Bleiglasfenster in der Wand. Man muss dort schon genau hingucken, um ihn zu entdecken – immerhin die höchste markgräfliche Auszeichnung für die Verdienste und das hohe Wertebewusstsein des langjährigen Superintendenten.

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Roter Faden zwischen Bayreuth und Creußen

Künneth begann seine kirchliche Karriere in Bayreuth 1761 als Subdiakon und Hospitalprediger in der Spitalkirche noch unter Markgraf Friedrich, stieg 1781 zum Superintendenten auf und hatte somit als Dekan seinen Amtssitz in der Kanzleistraße dort, wo heute auch das evangelische Dekanat ist. Er übte dieses Amt noch 1796 aus, als er vom Bürofenster auf den Obeliskenbrunnen vor der Stadtkirche sieht und den Abbruch des gotischen Almosen­kasten 1786 erinnert.

Diese „Beinhaus-Kapelle mit etlichen kleinen Altärlein“ wurde um 1700 noch als Gebetsraum genutzt, so beschreiben es Wilfried Engelbrecht in seinem Stadtkirchenbuch 2017 und vor ihm Italo Bacigalupo in einem Aufsatz von 2005, die beide sorgfältig recherchierten und den roten Faden zwischen Stadtkirche, Almosenkasten, Dekanat und der Künneth-Eremitage in Creußen detektivisch aufspürten.

Zu der Zeit, als Künneth seinen Arbeitsplatz im Dekanat gegenüber hatte, war der Innenraum nur noch mit „Sakralgerümpel“ gefüllt. 1786 wurde der sogenannte Almosenkasten zwischen Stadtkirche und Dekanat abgerissen und machte 1788 dem Obelisken-Brunnen Platz, der noch heute den Platz vor der Stadtkirche in der Kanzleistraße schmückt. Der Superintendent „rettete“ also bei der Demolierung der Kapelle für den Außenbau seines phantastischen Eremiten- und Altersrefugiums in Creußen unter anderem:

  • Das gotische Fensterbogen-Maßwerk, genauer: Vier aus einem Stück gehauene, spätgotische Maßwerk-Spitzbogen, die auf Pfeilern sitzen – unterschiedlich in Muster und Größe,
  • Eine an der Südwand angebrachte Steinplatte mit einem stark verwitterten spätgotischen Kruzifixus.
  • An der Außenwand angebrachte hölzerne Altarteile aus dem „Sakralgerümpel“ des Almosenkastens

Italo Bacigalupo konnte in gründlicher Recherche 2005 die Herkunft dieser Fragmente aus dem Bayreuther Almosenkasten nachweisen und die bisherige Auffassung widerlegen, sie kämen aus der Pfarrkirche St. Jakobus in Creußen (die 1700 umgebaut wurde). Mehr noch:

  • Aus den im Almosenkasten gestapelten sakralen Resten aus der katholischen Zeit der Bayreuther Stadtkirche rettete Künneth für sich den noch erhaltenen Regalflügel eines früheren Altargehäuses mit der Tafelmalerei des Verkündigungsengels Gabriel (um 1500), den er sorgfältig vier Wochen lang abwusch, bis die Farben wieder leuchteten –heute die einzige „katholische Reliquie“ aus der seit 1528 evangelischen Stadtkirche (heute in Privatbesitz). Bacigalupo datiert das Tafelgemälde als Bambergischer Altarflügel von 1487/88. Wilfried Engelbrecht präsentiert einen Ausschnitt daraus auf dem Rückseiten-Cover seines Stadtkirchenbuches.
Speziell zu den Relikten aus dem Bayreuther Almosenkasten:
Italo Bacigalupo: Ein Bambergischer Altarflügel von 1487/88 aus der Bayreuther Stadtpfarrkirche St. Maria Magdalena oder Der 1786 abgebrochene Bayreuther Almosenkasten und seine geretteten Überreste in Künneths Creußener Eremitenhäuschen.
In: 141. Bericht des Historischen Vereins Bamberg, 2005, S. 287-332
Wilfried Engelbrecht: Die Bayreuther Stadtkirche. Geschichte des ältesten Bauwerks der Stadt. 2016/17 (Bayreuther Zeitlupe Verlag), insbesondere Kap. 7: Der Almosenkasten – Bau, Umwidmung und Abbruch der Beinhauskapelle.
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Text: Karla Fohrbeck
Fotos: Karla Fohrbeck, Eva Rundholz

Literatur zur Biographie: Joachim Kröll: Johann Theodor Künneth. Archiv für Geschichte Oberfrankens AO 1986, S.191-211
Heinrich Thiel: Das Eremitenhäuschen in Creußen. Fränkische Presse Bayreuth 24.8.1955