ENTDECKE
MARKGRAFENKIRCHEN
HUTSCHDORF – ST. JOHANNES DER TÄUFER
Heute hat das Pfarrdorf, im Tal des Friesenbaches gelegen und auf drei Seiten von Feldern, Wiesen und einem bewaldeten Höhenzug umgeben, etwas über 300 Einwohner und ist seit 1972 ein Gemeindeteil des Marktes Thurnau im Landkreis Kulmbach.
Die alte, später innen barockisierte Chorturmkirche liegt still, romantisch zugewachsen, im mauerumringten Friedhof und mitten im Ort. Wie bei all diesen sehr alten und außen eher dunklen Kirchen ist man überrascht, wenn man innen vom hellen Licht einer Saalkirche mit umlaufenden Holzemporen und einem typischen Kanzelaltar im Markgrafenstil begrüßt wird.
Die lebendige Kirchengemeinde setzt sich aus 13 Ortschaften zusammen, wobei sich Hutschdorf und das benachbarte Langenstadt die eine Pfarrstelle mit Sitz in Hutschdorf teilen (Dekanat Thurnau). Hutschdorf ist zudem bekannt durch seine Fachklinik Haus Immanuel für suchtkranke Frauen, die 1907 von Pfarrer Ernst Keupp (und seinem Schwager Stempell) als Trinkerheilstätte gegründet wurde, zeitweise war sie auch Lungenheilanstalt, 2013 wurde sie ausgebaut.
Pfarramt Hutschdorf (Bürozeiten MO 14-18.30)
Hutschdorf 26, 95349 Thurnau, Tel: 09228-1513
E-Mail: Pfarramt.hutschdorf@elkb.de
Die Kirche ist in der Regel ganzjährig geöffnet
Gottesdienst alle 14 Tage im Wechsel mit Langenstadt
(siehe www.e-kirche.de/web/kg-hutschdorf)
Vom katholischen zum evangelischen Patronat
Urkundlich wird Hutesdorf 1180 erstmals als Ort erwähnt und Hutschdorf zum 1. Mal 1284, „als der Herr Eberhard von Hutschdorf seine Güter dem Kloster Langheim übergab und dort selbst als Mönch eintrat“, weiß die Pfarrchronik zu berichten, und weiter: „Um 1321 hat schon die zum Klosterpatronat gehörende Frühmessstelle zu Hutschdorf bestanden, welche als solche in der Stiftungsurkunde des Langheimer Mönchshofes zu Kulmbach genannt wird. Der Geistliche musste zu Pferde herausreiten, um hier seine Amtspflichten zu versehen.“
1398 wird Hutschdorf als Filialkapelle von Kulmbach erwähnt. Aber 1528 endet das katholische Patronat, das Markgraftum wird evangelisch-lutherisch und Markgraf Georg der Fromme (1484-1543) gründet hier schon 1529 eine eigene Pfarrei. Das adelige Patronatsrecht bleibt von da an bis Anfang des 20. Jh. (als es nach dem 2. Weltkrieg von der Evangelischen Landeskirche – bis auf wenige Ausnahmen – generell in Bayern abgeschafft wird) bei den Herren von Künsberg (auch Künssberg oder Künßberg geschrieben).
Die Kirche ist alt, steht „auf dem Raum einer ehemaligen Burg“ und hat eine wechselhafte Geschichte, so viel steht fest. Der bestehende Außenbau jedenfalls stammt im wesentlichen aus der 2. Hälfte des 16. Jh. Ein Mauerstein an der mittleren Südseite ist mit 1594 bezeichnet, Wetzrillen neben dem (zugemauerten) spitzbogigen Südportal und Zangenlöcher in den Hausteinquadern am Langhaus zeugen davon. Aber auch das spitzbogige Nordportal und die Epitaphe an der Kirchenmauer. Der dreigeschossige Ostturm mit Gesimsteilung besteht aus glatten Sandsteinquadern und weist noch wehrhafte Schlitzfenster und rundbogige Schallöffnungen auf. Das Turmkranzgeschoss kam (laut Gebessler 1958) erst im 19. Jh. dazu.
Auch das zweigeschossige Pfarrhaus nebenan mit der Hausnr. Hutschdorf 26 stammt im Kern aus der Mitte des 16. Jh. Am Speicher sind sogar noch 2 geschnitzte Büsten von Petrus und Johannes dem Täufer zu erkennen, die auf die Zeit um 1500 datiert werden. Anfang des 18. Jh. wurde der Sandsteinbau erneuert. Sehr viel später wurde er „modern verputzt“, so dass das Fachwerk des dreigeschossigen vorkragenden Südgiebels verborgen bleibt.
17. Jh. & 30jähriger Krieg
Kirchen und ihre Dörfer haben ihre Biographie wie Menschen. Und die tiefen Traumata, die z.B. der 30jährige Krieg (1618-1648) in der Region hinterlassen hat, sind nicht einfach „vergessen und begraben“. Wir geben daher den überaus plastischen Bericht wieder, der auf den Pfarramtsakten beruht, und der in der kleinen Vorhalle im Eingang zum spitzbogigen Westportal von St, Johannes aushängt:
„Im 30jährigen Krieg waltete hier Pfarrer Reuss seines Amtes; er musste beim Einbruch wilder Kriegshorden öfters nach Kulmbach flüchten, wo er seine Familie in Sicherheit brachte, hat aber seine Gemeinde treulich versehen. Mehrmals verheerten kaiserliche Truppen das Land, plünderten in fürchterlicher Weise, haben die Leute übel geplagt, bis auf den Tod verwundet, erschossen, gehenkt; eine Magd wurde von Reitern verfolgt, sie wollte bei Dreschen über den Main flüchten und ist dabei ertrunken. Bei Bauloch wurde eine Leiche, die hierher auf den Friedhof gebracht werden sollte, 2 Tage stehengelassen, bis die feindlichen Soldaten verschwunden waren. Pferde und Vieh wurden weggetrieben. Zu allem Elend kam auch noch die Pest. 1634 sind im Kirchenbuch 295 Personen mit kurzem Lebenslauf eingetragen; damals musste ein neuer Friedhof errichtet werden. Zwei eingepfarrte Orte: Seelig und Nürrenberg, sind völlig verschwunden.
Seit 1654 ist aus Österreich eine Reihe von Familien eingewandert, die um ihres evangelischen Glaubens willen Haus und Hof verlassen haben. 29 neue Namen erscheinen in den Büchern, z. B. Aigner, Höhler, List.“
Viele von diesen protestantischen Salzburger Emigranten bleiben also in der Region, woran diese Namen auch in anderen Ortschaften erinnern. Es dauert Jahrzehnte, bis sich das Land von den Zerstörungen und Kriegsverlusten erholt. Die Siegesfreude im auferstandenen Jesus und der trinitarischen Strahlenglorie auf dem Gebälk der späteren Kanzelaltären lassen es spüren, dass das Kreuz (wieder einmal) überwunden ist, dass man überleben und wieder leben durfte, dass Frieden war – im Markgraftum jetzt über ein Jahrhundert lang.
Auch Hutschdorf bekommt eine Markgrafenkirche . . .
. . . natürlich nicht direkt vom Markgrafen, denn es bleibt ja unter dem Adelspatronat derer von Künsberg, aber eben im zeitgemäßen Markgrafenstil und mithilfe darin erfahrener Künstler. Der barocke Umbau – vor allem des Innenraums – wird auf die Jahre 1729 bis 1731 datiert. Dazu gehörten wohl auch die lichtfreundlichen hohen Chor- und Langhausfenster und der Sakristei-Anbau im nördlichen Turmwinkel mit seinem Fachwerk-Obergeschoss über dem Gesims. Auch der quadratische Turm bekommt seine passende barocke Krönung mit Haube, Laterne, nochmals kleiner Haube und Spitze.
Die Finanzierung geschah durch die Herren von Künsberg und eine ausgedehnte Kollektenreise, wie das in solchen Fällen üblich war (aber vom Dekan-Superintendenten, vom Konsistorium in Bayreuth bzw. sogar vom Markgrafen genehmigt werden musste).
Obwohl die Kirche gleich 2 umlaufende Emporen hat und eine 3. an den Längsseiten (in Süd-Nord-Richtung) am Ende des 18. Jh. noch dazu kam – sorgen das helle Fensterlicht und eine pastellfarbig-zarte Marmorierungs-Malerei auf Emporenbrüstungen und Holzsäulen dafür, dass man sich in der langen und schmalen Kirche nicht allzu beengt fühlt. Auch die flache weiße Decke mit einfachem Felderungs-Stuck trägt dazu bei.
Die Orgel ist auf der oberen Westempore platziert, dem Kanzelaltar gegenüber. Hinter ihr führt noch einmal eine Holztreppe auf den Dachboden bzw. zum Glockenturm. An der unteren Westempore – einst Patronatsloge – prangt das farbig gefasste Künsberg’sche Patronats- und Herrschaftswappen mit reichem Rankendekor (aus der Zeit um 1700). Links vom Kanzelaltar befindet sich eine weitere Künsberg’sche Wappentafel von 1875.
Da das „Patronat“ aber nun Jesus zukommt, hat man ihm – der sonst nur am kleinen Kruzifix auf der Altar-Mensa „gegenwärtig“ ist – als segnendem Christus in lebensgroßer Gestalt und ebenfalls farbig gefasst, in jüngster Zeit einen dominanten Platz an dieser Westempore gestiftet.
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Im Zentrum der Kanzelaltar von 1731
Chorturm heißt, dass in den alten katholischen Kirchen der Chor, also der Altarraum, im Erdgeschoss unter dem Turm untergebracht war. Bei der Umwandlung in protestantische Markgrafenkirchen des Barock versuchte man, das Ideal der Saalkirche dadurch zu erreichen, indem man den Kanzelaltar mittig nach vorne, unter oder vor den spitz- bzw. rundbogigen Chorbogen rückte, oft durch eine zusätzliche Holztrennwand verstärkt. Der Chorraum konnte dann als Sakristei genutzt werden und der Pfarrer stieg dort eine schmale steile Treppe in der Altarrückwand zu seiner Kanzel hinauf. Hier in Hutschdorf steht er frei im Turmchor. Ob er eher aus der Zeit um 1725 stammt (wie August Gebessler 1958 meint) oder – was wahrscheinlicher ist, aus dem Jahr des Barockisierungsabschlusses 1731 (wie Helmuth Meißner in seinen Recherchen zu den Kanzelaltären festhält) spielt für uns als Kirchenbesucher nicht so die Rolle.
Für diesen kunstvollen Kanzelaltar holte man sich handwerklich-künstlerisch im Altarbau versierte regionale Künstler. Für den Altaraufbau den Stadtbildhauer und Bildschnitzer Johann Caspar Fischer aus Bayreuth, Schüler des berühmten Elias Räntz, dessen Lebensdaten nur ungenau überliefert sind, der aber zuvor schon in Mistelgau, Mistelbach und Stockau Altaraufbauten gefertigt hatte (später u.a. auch in Benk und Wonsees. Für die Altarfassung in Farbe und Vergoldung waren Vater & Sohn Heinrich Matthäus (1675-1762) und Heinrich Samuel Lohe (1711-1774) aus Hof zuständig, beide auch bekannte Porträtmaler und der Volkskunst nahe. Wie phantasiebegabt letztere war, davon zeugt später die bewundernswerte Ausmalung der gesamten Benker Kirche, was er auf der dortigen hölzernen Kanzelaltar-Rückwand auch mit dem Pinsel dokumentiert: „Dieser Altar und die gantze Kirche, die Orgel ausgenommen, ist von Heinrich Samuel Lohe, privilegierter Kunst-Mahler in Hof, staffiert und gemahlt worden. 1749.“
Von unten nach oben beginnt die Botschaft dieses Kanzelaltars mit dem Abendmahls-Sakrament und einem Abendmahls-Ölgemälde in vergoldetem Rahmen auf der Predella über der Mensa – mit einem Kruzifix davor. Darüber die geschweifte Kanzel – von der Gemeinde im Gestühl und den Emporen gut einzusehen – wird von Volutenpilastern auf Postamenten und Lambrequins („Zipfelbehang“) eingerahmt, an der Brüstung ein Dekor von Akanthuszweigen und Rosetten.
Aber ihre Bedeutung als Träger des lebendigen Worts erhält sie zum einen durch die silberne Heilig Geist-Taube über dem Kopf des Predigers unter dem Schalldeckel, zum anderen durch die fast lebensgroßen farbigen Schnitzfiguren der beiden Apostel – auf Konsolen seitlich der beiden korinthischen Rundsäulen stehend -, nämlich Petrus mit dem Schlüssel rechts und Paulus mit Bibel und zweischneidigem (geistigem) Schwert links, die das Logos-Wort „missionierten“ und lebendig machten.
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Die eigentliche, triumphierende Botschaft des Sieges über Tod und Teufel versinnbildlicht aber im explosiven goldenen Strahlenkranz das Trinitätssymbol des dreieinigen Gottes mit dem hebräischen Gottesnamen HWHJ (von rechts nach links geschrieben) im ebenfalls goldenen Lichtdreieck, von einem mildernden Wolken- und Engelkranz umgeben. Erst durch Jesu „vollbrachte Tat auf Golgatha“ und seine Auferstehung wird die menschgewordene Liebe des Schöpfergottes sichtbar und er zum wahren Vatergott, erst jetzt kann der Heilige Geist als dritte göttliche „persona“ in uns zu wirken beginnen.
Auf dem Altargiebelgebälk sitzen bzw. stehen die Schnitzfiguren der 4 Evangelisten in verzückter oder anbetenden Haltung, nicht durch die üblichen Attribute gekennzeichnet, sondern jeder mit seinem Evangelium-Buch und in verschiedenfarbigen Gewändern mit goldenem Überwurf.
Über dem runden Chorbogen hängt ein einfaches Holzkreuz, das diese Siegesgewissheit noch einmal in einem zweizeiligen Schriftzug festhält: Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat.
Ein schönes barockes, farbig gefasstes und von einem Engel getragenes Lesepult (Zeitraum 1725-1730) erlaubt dem Pfarrer, auch ebenerdig zu predigen. Der Taufstein vor dem Altar ist neugotisch, stammt also aus der 2. Hälfte des 19. Jh.
Das weltliche „Patronat“ war zersplitterter
Und da wir in diesem Fall dank der Recherchen von Historiker Rüdiger Barth eine genaue Auflistung der Herrschaftsverhältnisse in Hutschdorf haben, wie sie Ende des 18. Jh. bestanden – kurz bevor das Markgraftum ans Königreich Preußen verkauft wurde, seien sie hier wiedergegeben. Interessanterweise hat man genau um diese Zeit die 3. Empore wegen Platzmangels und regen Kirchenbesuchs zusätzlich eingebaut.
Gegen Ende des 18. Jahrhunderts bestand Hutschdorf aus 29 Anwesen. Das Hochgericht übte das bayreuthische Stadtvogteiamt Kulmbach aus. Die Dorf- und Gemeindeherrschaft hatte das Kastenamt Kulmbach inne. Grundherren waren
- das Fürstentum Bayreuth (11 Anwesen, davon a) Kastenamt Kulmbach: 1 Mahlmühle, 2 Halbsöldengütlein mit Zapfenschankgerechtigkeit, 1 Halbhaus mit Brau- und Schankgerechtigkeit, 1 Halbhaus mit Backfeuerrecht, 2 Tropfhäuser, 3 Tropfhäuslein; & b) Stiftskastenamt Himmelkron: 1 Söldengut),
- das Hochstift Bamberg (8 Anwesen = alle Langheimer Amtshof. Im einzelnen = 6 Höfe, 1 Gütlein, 1 Söldengütlein),
- das Giech’sche Amt Thurnau (8 Anwesen = 3 Güter, 1 Gütlein, 3 Sölden; mittelbar Pfarrei Thurnau: 1 Haus),
- das Rittergut Thurnau (1 Gut, 1 Gütlein).
Neben den Anwesen gab es noch 1 Kirche, 1 Pfarrhaus und 1 Schulhaus.
Text & Fotos: Karla Fohrbeck
Literatur:
- 1958. August Gebessler. Stadt und Landkreis Kulmbach.
- 1981. Schelter, Alfred: Der protestantische Kirchenbau des 18. Jahrhunderts in Franken, Band 41, Verlag: Freunde der Plassenburg, Kulmbach, S. 311
- 1982. Helmuth Meißner. Katalog der Kanzelaltäre in Oberfranken.
- 1987. Helmuth Meißner. Kirchen mit Kanzelaltären in Bayern.
- o. J. „Die Geschichte unserer Kirche“ – eingerahmt in der Vorhalle von St. Johannes
- 2012. Rüdiger Barth: Kulmbach: Stadt und Altlandkreis (= Historischer Atlas von Bayern, Teil Franken. I, 38). Kommission für bayerische Landesgeschichte, München)
- Verschiedene Artikel von Georg Schwarz aus den Zs. Frankenheimat, Fränkische Heimat, Heimatbote aus den 60er Jahren und von 1979 werden bei Meißner berücksichtigt.
Wir verweisen auch auf die allgemeinere Literatur zu den Markgrafenkirchen im Vorspann zu den Einzelkirchen
und auf den direkten Link zur Markgrafenkirche im benachbarten Langenstadt.
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