ENTDECKE
BAROCKE JAGDSCHLÖSSER & FORSTHÄUSER
Das Markgräfliche Fischhaus am Weißenstädter See
Dieser Beitrag handelt von einem Forsthaus, das einst ein bekanntes Markgräfliches Fischhaus war und heute privater Nutzung dient – ein Sonderfall also, ein lohnender dazu. Denn der Weißenstädter See, an dem es liegt, ist ein überregional bekannter Erholungsort. Radfahrer, Inlineskater und Spaziergänger tummeln sich auf der gepflegten Strandpromenade. Den See bevölkern Segelboote und Windsurfer und die Eistüte verbreitet doppelten Genuss, wenn man ihren Inhalt am sonnigen Ufer auf einer der hier zahlreich aufgestellten Parkbänke schleckt.
Der See, der heutzutage so vielen Menschen Freude und Erholung bietet und sich westlich von Weißenstadt ausbreitet, hatte einen historischen Vorgänger, den Weißenstädter Weiher. Dieser war einst das Zentrum der Fischzucht im Fichtelgebirge und das zweitgrößte Fischgewässer im Land der Bayreuther Markgrafen.
Zweitgrößtes Fischgewässer im Markgraftum
Der Weißenstädter Bürgermeister Christian Erdmann Pöhlmann, dem noch das reiche, beim großen Stadtbrand von 1823 größtenteils verloren gegangene Ratsarchiv zur Verfügung stand, fand erste Nachrichten von dem vor den Toren seiner Stadt gelegenen fürstlichen Fischgewässer aus dem Jahr 1410. Zum Jahr 1463 überliefert er in seiner Chronik Streitigkeiten zwischen der Landesherrschaft und den Besitzern der an der Eger gelegenen Mühlen, denn beim Anstauen des großen Fischteichs entstand für diese regelmäßig Wassermangel. Die Fotos zeigen die historische Brücke vor dem ehemaligen Bayreuther Tor, durch deren Bögen die Eger einst den alten Weißenstädter Weiher verließ, und den alten Weiherdamm, durch den die Eger heute passiert.
Markgraf Friedrich V. zu Brandenburg-Kulmbach ( Regierungszeit 1495-1515 ) nahm die erfolgreiche Fischzucht im Weißenstädter Weiher zum Anlass, um 1509 den Brandenburger Weiher zwischen Bayreuth und Bindlach anlegen zu lassen, der mit 565 Tagwerk (192,5 ha) das größte Fischgewässer im Land wurde, bevor es ab 1695 unter Markgraf Georg Wilhelm (1712-1726, anfangs noch Erbprinz) in einen Vergnügungssee für höfische Feste, Feuerwerke, Theateraufführungen und Schiffsscharmützel verwandelt wurde, woran selbst Markgraf Friedrich & Markgräfin Wilhelmine (1735-1763) noch Freude hatten.
Auch der Weißenstädter Weiher war ein künstliches Gewässer. Im Süden fällt die Fläche, auf der später die Weißenstädter Altstadt errichtet wurde, jäh zur Eger hin ab. Ein rund 200 Meter langer Damm aus großen – mit Steinen und Erde gefüllten – Holzkästen (sogenannten Erdstuben) staute hier die Eger zu einem rund 105 ¼ Tagwerk (35,9 ha) großen Gewässer. Ein Fischknecht führte die Aufsicht über den Weiher und die übrigen um Weißenstadt herum gelegenen herrschaftlichen Fischteiche, in denen die Fischbrut zu den für den Besatz des großen Weihers gedachten Setzlingen heranwuchs. Er wohnte in dem unterhalb des Weiherdamms im Egertal errichteten Fischhaus.
Die sogenannten Hälterteiche südlich des Fischhauses dienten der Fischhälterung nach dem zweijährigen Abfischen des Hauptweihers. Im Hintergrund des ersten Teichfotos ist der mit Scheunen bebaute Damm des alten Weißenstädter Weihers sichtbar. Über ihn führt heute die Bayreuther Straße.
Zweijähriges Hauptfischen
Alle zwei Jahre fand das große Hauptfischen statt. Der See wurde abgelassen, was bei den unterhalb von Weißenstadt an der Eger gelegenen Mühlen zunächst zu einer Flut, beim Aufstauen des Weihers jedoch zu einer länger andauernden Wasserknappheit führte. Nun kam Leben in das sonst nur vom Fischknecht und seiner Familie bewohnte Fischhaus. Aus Bayreuth kamen der markgräfliche Haushofmeister zusammen mit einem Hofsekretär. Sogenannte Handfröner aus der weiten Umgebung mussten beim Abfischen helfen. Wagenladungen mit Karpfen, Hechten und anderen Fischen wurden für den markgräflichen Haushalt nach Bayreuth transportiert. Aber natürlich wurden die Fische auch an andere Interessenten verkauft und brachten der fürstlichen Kammer satte Gewinne, über die der aus Bayreuth angereiste Hofsekretarius Rechnung zu führen hatte.
In den Hälterteichen südlich des Fischhauses wurden die nicht verkauften und die für die Rückkehr in den Weiher bestimmten Fische gehältert und überwintert. Dem dienten auch die Fischkästen an den Ufern der Hälterteiche, einst aus Holz, später aus Stein. Die gemauerten Fischkästen auf den Fotos stammen wohl noch aus markgräflicher Zeit. Im Hintergrund des einen Teichfotos ist der mit Scheunen bebaute Damm des alten Weißenstädter Weihers sichtbar. Über ihn führt heute die Bayreuther Straße.
Hatte der große Weiher seinen üblichen Wasserstand wieder erreicht, konnten die Setzlinge eingebracht werden, die dann zwei Jahre Zeit hatten unter der Aufsicht des Fischknechts zu großen, fetten und wohlschmeckenden Fischen heranzuwachsen. 1506 waren es 124 Schock (7440) Karpfen- und 6 Schock (360) Hechtsetzlinge, die in den Weißenstädter Weiher eingesetzt wurden.
Vom Fischhaus zum Forsthaus
1752 krachte der Fußboden einer Kammer in der Wohnung des Fischknechts ins darunter liegende Erdgeschoss des Fischhauses. Das Gebäude erwies sich als dermaßen baufällig, dass es abgerissen und durch einen barocken Neubau ersetzt werden musste. Nun befanden sich die Wohn- und Arbeitsräume des Fischknechts im Erdgeschoss des neuen Gebäudes, während sich im repräsentativen Obergeschoss die Wohn- und Amtsräume des Weißenstädter Stadtvogts befanden.
In preußischer Zeit (1792-1806) wurden die herrschaftlichen Teiche und auch der große Weißenstädter Weiher an Privatleute verpachtet. Das bisherige Fischhaus funktionierte man im Herbst 1800 zu einem Forsthaus um. 1818 – das Land war inzwischen bayerisch geworden – kamen die bisher in staatlichem Besitz befindlichen Fischgewässer unter den Hammer. Den Weißenstädter Hauptweiher ersteigerte der Nürnberger Bankier Nathan Salmstein, der ihn im Oktober 1820 trockenlegen ließ und das gewonnene Land in Teilstücken an Weißenstädter Bürger verkaufte. Das vormalige Fischhaus blieb bis 1904 Sitz des Weißenstädter Forstamtes und wurde dann an den Fabrikanten Wilhelm Wirth verkauft, der es zu seiner Villa umgestaltete. Die Anklänge an den Jugendstil erhielt die Westfassade durch einen nach 1904 erfolgten Umbau des im Kern barocken Gebäudes.
Das Gebäude stand 20 Jahre leer, bevor sich die jetzige Eigentümergemeinschaft an die aufwendige Restaurierung wagte. 2021 war das Gebäude noch von einem Gerüst umgeben. 2022 nimmt der Architekturtreff Hochfranken dieses Denkmal in die Liste vorbildlicher Sanierungen auf. Und 2023 erstrahlt die Fassade schon in markgräflichem Ocker.
Wiederauferstehung als größter Erholungssee Oberfrankens
Die sauren, sumpfigen Wiesen, die nach der Trockenlegung des Weihers entstanden waren, konnten der Landwirtschaft nicht den erhofften Nutzen bringen. 150 Jahre nach seinem Ende fassten die Weißenstädter den Entschluss, den See als Erholungsgebiet wieder aufleben zu lassen. Nach fünfjähriger Planung und knapp 20 Monaten Bauzeit konnte der neue Weißenstädter See am 26. Juni 1977 eingeweiht werden.
Wie wir heute wissen, waren die Baukosten von rund 5,5 Millionen D-Mark eine lohnende Investition in die Zukunft, denn Weißenstadt entwickelte sich in der Folge zu einem der bedeutendsten Kur- und Fremdenverkehrsorte im Fichtelgebirge.
Text & Fotos (2018-2021): Harald Stark
Literatur:
Dieter Schmidt: Freizeitparadies Weißenstädter See, in: Der Siebenstern, Jahrg. 1977, Heft 4, S. 106-108
Harald Stark: Vom Weißenstädter Weiher und dem Fischhaus zu Weißenstadt, in: Archiv für Geschichte von Oberfranken (AO), 99. Band, Bayreuth 2019, S. 85 – 99